Buddhisten-Treffen im Allgäu: Die Ruhe neben dem Lärm
3.000 Menschen meditieren derzeit beim Buddhisten-Treffen in Immenstadt - neben einer riesigen Baustelle. Wie Gelassenheit helfen kann, die Schwierigkeiten des Alltags zu meistern.
Das Beeindruckendste an all dem Lärm ist die Ruhe. Bagger heben den Boden um, Lastwagen knattern und Bohrer dröhnen. Der Staub der Baustelle wabert um die Villa von Gut Hochreute, die über dem Allgäuer Alpsee bei Immenstadt thront. Das Brummen der Maschinen schallt durch die Zeltstadt, die in den letzten Tagen auf dem Gelände entstanden ist.
Rund 3000 Gäste aus der ganzen Welt sind auch in diesem Sommer wieder ins Allgäu gereist. Wie schon in den vergangenen sechs Jahren meditieren sie zwei Wochen lang gemeinsam in der Bergidylle – und das, obwohl auf dem Gelände zeitgleich eine neue Wohnhalle gebaut und eine denkmalgeschützte Scheune zu einem Meditationszentrum umgestaltet wird.
Drei Mal täglich drei Stunden sitzen und meditieren
Auch während des Sommertreffens im Europazentrum der „Buddhistischen Stiftung Diamantweg“ laufen diese Arbeiten weiter. Doch die Teilnehmer lassen sich davon offensichtlich nicht aus der Ruhe bringen – nicht vom Lärm, nicht von der Hitze und auch nicht von den schweren Themen, die die Seminare behandeln. Drei Mal täglich drei Stunden lang sitzen sie und meditieren – auf Isomatten oder Handtüchern, Kissen oder einfach auf dem Boden. Das Thema der ersten Tage ist, traditionell, „bewusstes Sterben“.
Wer sich schon zu Lebzeiten auf den Tod vorbereite, verliere die Angst davor, erklärt Lama Ole Nydal, der die Kurse leitet. Und die Stimmung wirkt entspannt, Gemurmel übertönt das Knattern der Bagger: „Om benza sato samaya“ – ein Mantra, das von negativem Karma reinigen soll. Wer den Text nicht kennt, kann auf riesigen Bildschirmen mitlesen. Wie die Rosenkranz-Gebete bei Katholiken wiederholt sich der Singsang immer wieder und formt sich aus der Menge heraus zu einem gleichförmigen Summen.
Freiwillige geben Frühstück aus und machen den Abwasch
Immer wieder stehen Einzelne auf, strecken ihre vom Sitzen steifen Beine und laufen zwischen den Reihen auf und ab. Doch auch davon lassen sich die übrigen Meditierenden nicht ablenken. Über dem Gelände, das mit seinen Zelten und transportablen Sanitäranlagen in diesen Tagen einem Festivalplatz ähnelt, liegt spürbare kollektive Gelassenheit.
Organisiert wird hier gemeinsam: An einer „Jobbörse“ verteilen Freiwillige die täglichen Aufgaben, die im Camp anfallen, an andere Freiwillige. Frühstück ausgeben, Teller waschen, Küchendienst – auf Zetteln steht, wofür noch Helfer gebraucht werden. „Und das funktioniert“, sagen Carola Berger und Holm Ay vom Organisationsteam.
Das Miteinander ist Motto. Das Buddhistische Zentrum, das die Stiftung um Lama Ole Nydal im Jahr 2007 auf Gut Hochreute eröffnete, wird durch Spenden finanziert. Acht Millionen Euro kosten die derzeitigen Neu- und Umbauten, die Wohnraum für 100 Menschen schaffen sollen – Schlafmöglichkeiten für 40 Bewohner und 60 Gäste sind geplant.
Damit sich das Gebäude in die geschützte Landschaft einfügt, wird es mit einer Begrünung auf dem Dach in den Hang integriert. In der alten Scheune des Gutshofes sollen Küche, Gemeinschaftsraum und ein großer Meditationssaal entstehen. Der Lärm der Bauarbeiten, sagt Holm Ay, sei deshalb gar nicht so schlecht: „Viele, die hier sind, spenden für die Stiftung. Jetzt erleben sie, wie aus ihrem Geld etwas Gutes entsteht.“
Der Hang soll terrassiert werden, ein Bachlauf wird ausgegraben
Verändert wird nicht nur die Bebauung um Gut Hochreute, sondern mittelfristig auch die Landschaft. Ein Bachlauf, der von einem Vorbesitzer des Geländes über unterirdische Rohre im Berghang abgeleitet wurde, soll wieder freigelegt werden – und, so erklärt Carola Berger, „die Natur in ihren Urzustand zurückversetzen“. Auch der Hang soll zum Teil umgestaltet werden. Wo der begraste Boden derzeit noch steil läuft, sollen bald terrassenförmige Ebenen angelegt werden – „so, wie das früher im Allgäu ja auch typisch war“. Zudem ist eine Bepflanzung mit Obstbäumen geplant.
Einige Mitglieder des örtlichen Bund Naturschutz stehen seit Jahren jeder Veränderung am Berghang mehr als skeptisch gegenüber. Doch mit ihrem Versuch, vor Gericht gegen die Baumaßnahmen zu klagen, scheiterten sie – und auch die örtlichen Behörden haben die Umgestaltung abgesegnet. „Wir bemühen uns, sämtliche Vorgaben einzuhalten“, sagt Holm Ay. Dass es trotzdem Menschen gebe, die „so viel Angst vor allem Neuen“ haben, findet er „sehr schade“.
Vereinzelte kritische Stimmen, das Dröhnen der Bagger und die teils sengende Hitze – nicht einmal das schwere Thema Tod kann auf Gut Hochreute die Gelassenheit zerstören. Der Diamantweg-Buddhismus lehrt Unerschütterlichkeit – allen Baustellen des Daseins zum Trotz.
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