Da, wo die Welt noch in Ordnung ist
Anlässlich des 60. Geburtstag der Romantischen Straße haben die Landfrauen entlang der Straße ein Kochbuch mit regionalen Rezepten zusammengestellt. Das Rezept für die weltbesten Zwetschgenknödel gibt es im idyllischen Trauchgau. Doch der Ort hat noch mehr zu bieten. Von Uta Baumann
Geschichten liegen auf der Straße, heißt es. Das stimmt nicht ganz. Man muss sie suchen. Das tun wir mit dieser Serie. Unsere Reporter fahren durch die Region und bringen Geschichten mit. Diesmal ist sie auch ein klein wenig kulinarisch.
Zwetschgenknödel bestimmen das Ziel meiner Fahrt. Anlässlich des 60. Geburtstag der Romantischen Straße haben die Landfrauen entlang der Straße ein Kochbuch mit regionalen Rezepten zusammengestellt. Ich blättere mich durch die kulinarischen Köstlichkeiten vom Main bis zu den Alpen und bleibe bei der Süßspeise hängen. Das Rezept dazu stammt von Andrea Gschmeißner. So also führt mich der Weg zu ihr nach Trauchgau im Landkreis Ostallgäu.
Der Wintersport ist in Trauchgau auch im Sommer präsent. Als ich mein Auto parke, steht direkt neben mir ein Bus des Deutschen Skiverbandes. Kein Wunder. Während es bis zum Forggensee mit dem Auto immerhin zehn und zum Schloss Neuschwanstein 15 Minuten sind, sind die Berge direkt vor der Haustüre. Die dreifache Ski-Olympiasiegerin Katja Seizinger trainierte hier als Schülerin.
Die Urlauber sind ebenfalls sehr aktiv. Sie fahren Rad oder gehen wandern. Faul sind hier nur die Kühe, die entspannt im Gras liegen. "Wir wohnen im Paradies. Hier ist die Welt noch in Ordnung", sagt Andrea Gschmeißner als sie mich auf ihrem Hof begrüßt. In der Tat. Die Vögel zwitschern, die Luft ist klar. In der Werkstatt bastelt der Opa an einem neuen Pavillon, im Garten gackern die Hühner und im alten Kuhstall liegt ein Rehkitz, so süß wie Bambi, in der Ecke. "Das ist Schorsch. Mein neues Pflegekind." Er kam mit einem Bein in den Mähdrescher. Jetzt päppelt ihn die Landwirtin wieder auf.
Dann endlich führt mich Andrea Gschmeißner in die Küche. Der Esstisch mit Eckbank und direktem Blick auf den Trauchberg ist der zentrale Treffpunkt der fünfköpfigen Familie. Hier besprechen die Eltern den Tag, hier machen die Kinder Hausaufgaben, hier gibt es zum Mittagessen Zwetschgenknödel. Doch bevor es so weit ist, lädt mich Andrea Gschmeißner zu einer kleinen Radtour durchs Dorf ein. Ich bekomme das Rad der 13-jährigen Tochter. Es hat drei Gänge und ist froschgrün. "Sie liebt es heiß und innig." Wir radeln bis zum Ortsrand. Dort steht der neu erbaute Kuhstall der Familie. 40 Milchkühe und 40 Stück Jungvieh hat der Biobetrieb. "Aber nur vom Milchgeld könnten wir nicht leben." Nur noch vier aktive Bauern gibt es in Trauchgau. Aber Jammern hilft nicht. Andrea Gschmeißner und ihr Mann Max probieren stattdessen etwas Neues aus. Seit einem halben Jahr bieten sie auf ihrem Hof Führungen an. Diese Woche war die Besuchergruppe mit Touristen aus Australien und den USA sogar international.
Auf dem Weg vom Stall zurück zum Hof kommen wir an einem riesigen Festzelt vorbei. Am Wochenende feiert der Musikverein "Harmonie" mit einem großen Alphorntreffen sein Jubiläum. Das Vereinsleben ist den Menschen in Trauchgau wichtig. "Es gibt keinen, der nicht in einem Verein ist", sagt Gschmeißner, die selbst im Schützen-, Trachten- und Sportverein ist.
Dann ist es Mittag und es gibt endlich Zwetschgenknödel mit flüssiger Butter und Zimt und Zucker. Es ist ein Lieblingsgericht der ganzen Familie. Der Teig ist schnell gemacht. Die Knödel zu füllen und zu formen ist allerdings ein ziemliches Gebatzel. Aber die Mühe mit dem pappigen Teig lohnt sich. Die Knödel sind süß, mächtig und sehr lecker. Die richtige Grundlage, um in die Berge zu gehen.
Die 1300 Meter hochgelegene Kenzenhütte im Ammergebirge ist ein guter Ausgangspunkt für Touren, die Gegend Andrea Gschmeißners Lieblingswanderrevier. Früher vermieteten die Gschmeißners Zimmer an Gäste. Von einem Ehepaar aus Duisburg, zu dem sie heute noch Kontakt haben, wurden sie auch schon eingeladen. An sich hat sich Andrea Gschmeißner darüber sehr gefreut. Sie hat nur ein Problem: "Was soll ich denn in Duisburg, wenn es hier doch so schön ist?"
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