Der "Vokal-Pop" der Wise Guys
Warum verkauft sich der "Vokal-Pop" der Wise Guys so glänzend? Ein Konzertbesuch gibt darüber Aufschluss, stellt Wolfgang Schütz fest.
Wäre hier das, wonach es aussieht, ein Einkaufszentrum nämlich, so mancher bliebe inmitten des Weihnachtstrubels wohl kurz stehen und nickte den fünfen freundlich zu, die da in Turnschuhen, Jeans, Hemd und Pullover a cappella ein Liedchen vortragen: nicht schlecht, die Herren. Doch dies ist das Foyer der Schwabenhalle und Hunderte Zuschauer haben eine Dreiviertelstunde ausgeharrt, um dieses Liedchen zu hören, als weitere Zugabe zum bereits gefeierten, zweistündigen Konzert in der Halle: Aber so gut sind die Herren doch nun auch wieder nicht.
Bei diesem Aznavour-Cover nämlich tritt noch deutlicher zutage, was auch auf der Bühne durchblitzt: Die fünf verfügen weder über die stimmliche Finesse der "Comedian Harmonists" noch über einen Effektreichtum wie etwa "Bauchklang". Umso erstaunlicher ist, was die "Wise Guys" damit erreicht haben. Während ehemals im selben Genre reüssierende Gruppen wie "Die Prinzen" samt klassisch ausgebildeten Organen und inhaltlichem Witz inzwischen in der Versenkung verschwunden sind, haben sich die Rheinländer mit ihren letzten drei Alben zu Stars gemausert. Mit allen schafften sie es in die Top 3 der deutschen Album-Hitparaden, ihre zahlreichen Konzerte finden ausnahmslos in großen, gut gefüllten Hallen statt, ihre regelmäßigen Auftritte bei Kirchentagen werden gefeiert.
In Letzterem offenbart sich der Kern dieses Erfolgs. Denn mit ihrem "Vokal-Pop" servieren sie nicht nur eingängige Musik, die freundlich die Oma wie das Enkelein beschwingt. Ihre deutschen Texte betrachten zudem auf eine Art so geerdete, grundanständige, höchstens mal augenzwinkernde Art das Leben, dass auch Papa die Begeisterung der Tochter gerne unterstützt. Bei den "Wise Guys" ist Liebe kein Rausch der Leidenschaft, sind Handys und Facebook Gefahren für die wirkliche Begegnung zwischen Menschen, sie engagieren sich für Hilfswerke und texten inmitten manch Vergnüglichem schon mal über die Gedanken einer Zwölfjährigen zur Scheidung ihrer Eltern. Schiller wird dagegen im Cover zu Michael Jacksons "Thriller" als "kompliziert" und "blasiert" disqualifiziert. Hier gibt's nette Musik mit pfiffigen Texten von anständigen Kerlen für normale Menschen.
Und die strömen herzu in ganzen Familienverbänden, singen ältere Texte teils auswendig mit und zeigen sich begeistert von einer Show, in der die fünf mit ein bisschen Choreografie viel in Bewegung sind, zügig einen Song an den anderen reihen und so ohne Allüren sehr gut unterhalten. Als Fanartikel gibt's ein Textbuch, ein Notenbuch für Klavier und eins für Chor mit dem Titel "Sing mal wieder". Die Freude daran wollen die "Wise Guys" offenbar mitteilen.
Wer sich nach dem Nachspiel im Foyer noch immer nicht genug angesteckt hat, für den geben die Herren noch ihre Unterkunft bekannt. Und im Dezember 2011 kommen sie eh schon wieder. Dann dürfen Fans sogar über das Programm der Konzerte bestimmen. Bei so viel Nähe kommt es auf die Kunst nicht an.
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