Der christliche Sinngrund
Von Alois Knoller Deutschland wird immer diesseitiger. Der Anteil der Bürger, die unter uns ohne Gott und ohne Religion leben, steigt stetig an. Die katholische und die evangelische Kirche vermögen nur noch je ein Drittel der Bevölkerung an sich zu binden. Sogar das erzkatholische Bayern und seine erzprotestantischen Regionen sind nicht mehr geschlossen kirchlich organisiert.
Das ist der nüchterne statistische Befund, den uns die wuchtige Zahlenkorrektur der Diözese Augsburg um 80 000 verlorene Seelen ins Bewusstsein ruft. Muss er uns ängstigen? Wer simpel rechnet, sieht eines (ferneren) Tages schon den allerletzten Katholiken aus der Kirche austreten. Realistisch ist so eine Prognose aber nicht.
Die christlichen Kirchen üben nach wie vor einen großen Einfluss auf unser tägliches Leben aus. Ihr in Jahrhunderten gesammeltes Wissen über den Menschen, über seine Sehnsucht nach gelingendem Leben und seine Neigung, sich schuldig zu machen, besitzt seinen Wert bis heute. Deswegen sitzen Theologen auch im Deutschen Ethikrat. Das Rackern für ein bisschen Wohlstand kann doch nicht alles sein. Das Leben stellt tiefere Fragen - im Glück wie im Unglück.
Es mag sein, dass in Zeiten steigender Preise die Menschen wegen ein paar Euro mehr auf dem Konto aus der Kirche austreten. Haben sie deshalb endgültig mit ihr abgeschlossen? Jeder achte Ausgetretene besinnt sich und kehrt später wieder zurück. Die Wurzeln in den christlichen Sinngrund sind stärker, als es den Anschein hat.
Trotzdem werden sich die Kirchen in Zukunft bemühen müssen, stärker missionarisch zu wirken. Die Menschen suchen glaubwürdige Vorbilder, verlangen für ihre Sehnsucht nach Antwort, die sie verstehen. In Ostdeutschland hat man bereits angefangen, Gottesdienst mit Menschen ohne Taufe zu feiern.
Die Diskussion ist geschlossen.