Kultspielzeug Flipperautomat
Aus Kneipen ist das Spielgerät meist verschwunden. Doch zur deutschen Meisterschaft nach München kommen viele Könner und haben Spaß. Ein 17-Jähriger mischt die Szene auf
Einen Finger auf den linken Knopf, einen auf den rechten, und los geht’s: Mit viel Gerumpel und Geklimper, Lichteffekten und diversen Hindernissen für den Ball, den er so lange wie möglich im Spiel halten will. Johannes Ostermeier zeigt bei der deutschen Flippermeisterschaft in München im Feierwerk vollen Körpereinsatz. Denn in der Not hilft nur noch ein kräftiger Ruck am Automaten, um den Ball daran zu hindern, zwischen den zwei per Knopfdruck gesteuerten „Fingern“ im Nichts zu verschwinden. Doch die Kraft dafür muss fein abgemessen sein, andernfalls droht das „Tilt“: eine mechanische Wippe im Inneren des Flippers quittiert zu heftiges Ruckeln mit der Deaktivierung der elektronischen Steuerung – Game over.
Ostermeier passiert dieses Szenario längst nicht mehr. Er weiß, wie er mit dem Gerät umgehen muss. Hoch konzentriert und leicht vornübergebeugt steht der 17-Jährige aus Markt Schwaben vor dem Automaten und reagiert auf die Bewegungsabläufe der Kugel. In den meisten Fällen erfolgreich. Bei der deutschen Flippermeisterschaft gehört der Bayer zu den Favoriten. In der Welt der Flipperspieler gilt Ostermeier als größte Nachwuchs-Hoffnung. „Als ich vier war, hat sich mein Vater seinen ersten Flipper gekauft. Ich war sofort fasziniert und bin bis heute nicht davon weggekommen“, erzählt Ostermeier.
Vergangenes Jahr flog der Elftklässler sogar zur Weltmeisterschaft ins kanadische Toronto. „Es lief okay für mich“, zeigt er sich nicht völlig zufrieden, „nur“ Zwanzigster geworden zu sein. Schnelles Auffassungsvermögen und eine gute Reaktionsfähigkeit seien essenziell, um beim Flippern erfolgreich zu sein. „Aber es spielt sich auch viel im Kopf ab. Man muss mental stark sein“, sagt Ostermeier, der täglich am Gerät im Keller seiner Eltern übt. Meistens allein. Denn gleichaltrige Freunde, die die Faszination an seinem Lieblingshobby teilen, hat er keine. „Leider verschwindet der Flipper immer mehr aus der Öffentlichkeit“, bedauert Ostermeier.
Während die Automaten in den 1970er und 1880er Jahren noch zum Inventar beinahe jeder Kneipe zählten, sucht man sie heute im öffentlichen Raum oft vergeblich. Hauptsächlich Sammler, Museen und Historiker interessieren sich noch für die Geräte und sorgen somit dafür, dass die Flipper nicht in Vergessenheit geraten.
Aufgrund dieser Entwicklung reisen bei der deutschen Meisterschaft in München viele der 128 Teilnehmer auch mit Wehmut in die eigene Vergangenheit. Überall flimmert und blinkt es. Die Silberkugeln rollen. Musikfetzen und metallische Stimmen hallen durch die verwinkelten Räume. Der nostalgische Spaß ist groß. Mehr als 100 Automaten hat der deutsche Flipperverband, die „German Pinball Association“ (GPA), für die deutsche Meisterschaft zur Verfügung gestellt. Der Verband richtet sie in diesem Jahr bereits zum 20. Mal aus.
GPA-Mitgründer Martin Wiest ist begeistert. Auch aufgrund solcher Veranstaltungen sieht der 57-Jährige das Kultspielzeug Flipperautomat keineswegs vom Aussterben bedroht. Ihm zufolge habe die GPA heute mehr als dreimal so viele Mitglieder wie im Jahr 2013, nämlich fast 800. „Der Trend zeigt deutlich nach oben“, freut sich Wiest.
Womöglich sei es das Physische, das die Menschen wieder zum Flippern bringt. „Heute gibt es vor allem virtuell Unterhaltungsmöglichkeiten ohne Ende“, sagt Wiest und ergänzt: „Aber den Flipper kann ich bewegen, den kann ich spüren und anfassen. Es ist das Gesamterlebnis, was das Flippern so besonders macht.“ Seien es die verschiedenen Lichteffekte, die mechanischen Rampen oder die Flipperhebel, die die Kugeln im Spiel halten. „Das Taktile spielt eine große Rolle“, erklärt Wiest. „Wenn Kinder einen Flipper das erste Mal sehen, können sie nicht widerstehen. Sie müssen drücken und schießen.“
So war es ja auch bei Johannes Ostermeier. Der 17-Jährige ist längst ein Profi und darf sich seit Sonntag zum zweiten Mal Deutscher Meister beim Flippern nennen. In der Weltrangliste steigt er mit diesem Sieg vom vierten auf den dritten Platz auf.
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