Gutachter werden im Prozess um Mord an Rentner erneut befragt
Ist der Angeklagte reifeverzögert oder nicht? Mit dieser Frage muss sich das Gericht im Prozess um den Mord von Bad Reichenhall in der Nacht des -WM-Finales noch einmal befassen.
Paukenschlag im Prozess um den gewaltsamen Tod eines Rentners und den blutigen Überfall auf eine Jugendliche in Bad Reichenhall: Überraschend stellten die Anwälte der jungen Frau am Donnerstag den Antrag, den zur Tatzeit 20 Jahre alten Angeklagten nach dem Erwachsenen- und nicht nach dem Jugendstrafrecht zu verurteilen. Nach ihrer Überzeugung besitzt der mutmaßliche Mörder keine Reifeverzögerung, das Jugendstrafrecht dürfe deshalb nicht angewendet werden.
Die Jugendkammer des Traunsteiner Landgerichts entschied daraufhin, einen im Prozess bereits gehörten Psychiater noch einmal zu befragen und auch eine Expertin der Jugendgerichtshilfe erneut anzuhören. Die mögliche Reifeverzögerung des Angeklagten, die ausschlaggebend für eine Verurteilung nach dem Jugendstrafrecht ist, wird damit in dem vor gut zwei Wochen begonnenen Prozess abermals hinterfragt.
Der Anwalt des mutmaßlichen Täters erklärte jedoch, sein Mandant werde sich nicht erneut psychiatrisch begutachten lassen. Eigentlich hätten am Donnerstag bereits die Plädoyers gehalten werden sollen, nun wird am kommenden Mittwoch (6. Mai) weiterverhandelt.
Angeklagter soll Rentner auf offener Straße erstochen haben
Der aus Morbach (Kreis Bernkastel-Wittlich) in Rheinland-Pfalz stammende Ex-Bundeswehrsoldat soll den 72-Jährigen auf offener Straße erstochen und die zur Tatzeit 17-Jährige - sie tritt im Prozess als Nebenklägerin auf - mit Messerstichen lebensgefährlich verletzt haben. Die Auszubildende ist seit dem Überfall auf dem linken Auge blind. Begangen wurden beide Taten in der Nacht zum 14. Juli 2014, als Deutschland Fußball-Weltmeister wurde.
Die Anwälte der inzwischen 18-Jährigen gehen davon aus, dass der Angeklagte bereits eine gefestigte Persönlichkeit besitzt und sich daher charakterlich nicht mehr ändern wird. Dafür sprächen seine frühe Abkapselung von zu Hause, sein abgeklärtes Verhalten in den Tagen nach dem Mord und sein "abgestumpftes Prozessverhalten", sagten sie zur Begründung ihres Antrages.
Der inzwischen 21-Jährige steht zwar vor der Jugendkammer, kann aber dennoch nach Erwachsenenrecht verurteilt werden. Auch könnte ins Urteil der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung aufgenommen werden, wie der Vorsitzende Richter zu Prozessbeginn andeutete. In diesem Fall müsste das zuständige Gericht nach Verbüßung der Haft entscheiden, ob der Mann auf Dauer weggesperrt wird oder frei kommt, weil er sich zum Guten verändert hat.
Das Gericht befasst sich demnächst auch mit einem sogenannten Adhäsionsantrag der Nebenkläger. Demnach soll bereits im Strafprozess über ein eigentlich zivilrechtlich einzuklagendes Schmerzensgeld von mindestens 175 000 Euro für die junge Frau entschieden werden. dpa
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