"Das Beichtgeheimnis ist der älteste Datenschutz"
Der Augsburger Bischof Walter Mixa lehnt das Abhören der vertraulichen Aussprache bei einem Priester ab. In einem Interview mit unserem Redakteur Alois Knoller sagt er, warum.
Herr Bischof, wie fiele Ihre Beichte aus, wenn Sie argwöhnen müssten, dass ein Dritter mithört?
Mixa: Der Gedanke, dass die Beichte hinsichtlich ihrer Vertraulichkeit nicht absolut geschützt sein könnte, ist geradezu unerträglich. Ich würde in diesem Fall nicht beichten! Das Beichtgeheimnis, dessen Verletzung die Kirche seit alters mit schweren Strafen belegt, ist ein elementares Menschenrecht und die älteste Datenschutzbestimmung für die intimsten Nöte des Menschen.
Welche Voraussetzungen sind für die Beichte unverzichtbar?
Mixa: In der Beichte spricht der Priester mit göttlicher Vollmacht den Beichtenden von seinen Sünden los, wenn der Beichtende ehrliche Reue und den Vorsatz zur Umkehr mitbringt. Diese innere Haltung, auch die Untiefen des menschlichen Lebens vor dem barmherzigen Gott aller Menschen offenzulegen, erfordert zwingend ein Klima der Freiheit und der absolut geschützten Vertraulichkeit. Unter dem Schutz des Beichtgeheimnisses stehen nach katholischem Kirchenrecht deshalb nicht nur gebeichtete Sünden, sondern alles, was anlässlich der Beichte dem Beichtvater zur Kenntnis gelangt und dessen unbefugte Weitergabe dem Beichtenden unangenehm oder lästig wäre.
Ist die Beichte ein für die Staatssicherheit relevanter Bereich? Anders gefragt: Packt einen Staatsfeind gelegentlich die Reue?
Mixa: Natürlich kann auch einen Staatsfeind Reue für begangene Taten erfassen. Die Kirche schließt niemanden, der seine Sünden ehrlich bereut, von der liebenden Vergebung Gottes aus. Andererseits scheint mir die Annahme eher unwahrscheinlich, dass zum Beispiel islamistische Terroristen den Beichtstuhl in einer katholischen Kirche aufsuchen. Aber unbeschadet dessen gilt das Beichtgeheimnis gegenüber jedermann und auch für schwere Straftaten.
Macht sich die Kirche mitunter zur Mitwisserin von Verbrechern? Was soll ein Priester tun, wenn ihm strafwürdige Vergehen bekannt werden?
Mixa: Die Kirche ist nicht die Strafvollstreckungsbehörde des Staates. Ihr geht es vorrangig um das ewige Heil des Menschen und um die Rettung der unsterblichen Seele. Das schließt nicht aus, dass der Priester einem Beichtenden, der im Beichtstuhl schwere Straftaten bekennt oder sich zum Beispiel auf der Flucht vor der Polizei befindet, den Rat gibt, sich im eigenen Interesse des Beichtenden oder dessen Familie den Polizeibehörden zu stellen, um sein Leben auch vor der Welt wieder in Ordnung zu bringen.
Unter keinen Umständen darf der Priester jedoch Informationen aus der Beichte ohne freie Zustimmung des Beichtenden weitergeben.
Warum verteidigt die katholische Kirche so vehement das Beichtgeheimnis?
Mixa: Das Beichtgeheimnis gehört zum innersten Kernbereich der Kirche und zum Kernbestand der kirchlichen Unabhängigkeit gegenüber weltlichen Institutionen. Das Beichtgeheimnis ist in Deutschland durch Art. 9 des Reichskonkordates in der Form eines völkerrechtlichen verbindlichen Vertrages umfassend geschützt. Danach dürfen Geistliche weder von Gerichtsbehörden noch von anderen Behörden um Auskünfte über Tatsachen angehalten werden, die ihnen bei der Ausübung ihrer Seelsorge anvertraut sind und deshalb unter die Pflicht der seelsorgerlichen Verschwiegenheit fallen.
Das Beichtgeheimnis wird außerdem durch die Bayerische Verfassung geschützt.
Der Bundesinnenminister würde also einen völkerrechtlichen Vertrag brechen, wenn er das Abhören von Beichtstühlen anordnet?
Mixa: Genauso ist es. Ein wie auch immer gearteter staatlicher Eingriff in das Beichtgeheimnis wäre ein klarer Bruch des Konkordates. Ich kann mir absolut nicht vorstellen, dass irgendein Politiker in Deutschland, der sich auf dem Boden des Rechtsstaates bewegt, einen solchen Eingriff wagen würde.
Die Politik müsste für einen solchen Fall mit dem breitesten und entschiedensten Widerstand der Kirche rechnen. Sie könnten doch auch in den Wald gehen, um bei der Beichte völlig ungestört zu sein?
Mixa: Die Zeiten, in denen Priester und Gläubige in den Wald gehen mussten, um ohne Furcht vor staatlicher Überwachung ein vertrauliches Gespräch führen zu können, sind in Deutschland Gott sei Dank Vergangenheit und ich hoffe und bete, dass solche Umstände niemals wiederkehren.
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