Meister im Hörsaal verändern das Studium
Bayerns Studentenschaft wird bunter in diesem Wintersemester. Es strömen nicht nur die künftig immer jüngeren G 8-Abiturienten herein, sondern auch Berufspraktiker. Ein Leitartikel zu den Studentenzahlen von Alois Knoller
Bayerns Studentenschaft wird bunter in diesem Wintersemester. Es strömen nicht nur die künftig immer jüngeren G 8- Abiturienten herein, sondern auch Berufspraktiker, die sich ihre Karriere redlich erarbeitet haben. 465 Meister und Macher ergriffen auf Anhieb die neu eröffnete Möglichkeit, sich an einer bayerischen Hochschule einzuschreiben. Welch eine bislang ungenutzte Bildungsreserve schlummert hier!
Lange Zeit haben die Akademiker auf die Praktiker herabgeblickt und ihren Bildungsgang als eine Sackgasse betrachtet, an deren Ende das Hamsterrad der immer gleichen Tätigkeiten steht. Die Studierten dagegen feierten sich als die Kreativen und Flexiblen. Zum Glück gelangt diese total verzogene Perspektive auf den schon reich beschickten Schutthaufen überlebter gesellschaftlicher Kleinraster. An die Universitäten führt heute eben nicht mehr nur das Gymnasium als Eliteschule der Nation. Zum Lernen ist es nie zu spät, bei manchem jungen Menschen fällt der Groschen halt erst nach der Lehre. Intelligenz beschränkt sich ohnehin nicht allein aufs Schöngeistige.
All dies kriegen die Bayern jetzt mit Hochgeschwindigkeit eingetrichtert. Wahrscheinlich brauchen die Leute noch eine Weile, bis dieser fundamentale Wandel auch wirklich in ihren Köpfen angekommen und aufgenommen worden ist. In aller Hektik spielt sich derzeit im Freistaat eine Bildungsrevolution ab, die den Umbrüchen der 1960er Jahre nicht nachsteht. Am lebenden Organismus wird operiert, was das Zeug hält. Kaum haben die bayerischen Hochschulen die epochale Umstellung auf Bachelor und Master - mit vielen Provisorien - halbwegs anständig bewältigt, schon sollen sie den doppelten Abiturjahrgang 2011 erfolgreich durchschleusen. Bayern investiert ordentlich viel Geld in den Ausbau der Hochschulen.
Eine Milliarde Euro wird es am Schluss sein. Alle Strukturprobleme kann aber auch viel Geld nicht lösen. Schon jetzt sind die Gebäude 14 bis 16 Stunden im Betrieb. Bis in die späten Abendstunden gehen Vorlesungen und Seminare. Wer soll sich zu vorgerückter Stunde noch konzentrieren können? Das Lehrpersonal für die mehr gewordenen Studierenden mag dank der Überlastprogramme vorhanden sein, der nötige Platz nicht. Zwangsläufig gedeiht das virtuelle Studium am häuslichen Laptop.
Das mag bei Grundlagen angehen, Problemlösung indes erwächst aus lebendigem Austausch der Ideen. Das Studium darf niemals die personale Dimension verlieren. Sie wird ja richtig spannend dank der neuartigen Zusammensetzung der Studenten, wenn der erfahrene Meister neben der unbekümmerten 19-jährigen Abiturientin lernt. (Alois Knoller)
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