München: Konsumkultur zu später Stunde
Auf dem Gelände der Kultfabrik am Münchner Ostbahnhof treffen sich die Feierwilligen. Sie wollen zu Nachtkonsum - Münchens erstem Nachtflohmarkt. Der ist mehr als Feilschen um Kitsch, Kleidung und Krempel. Von Flora Anna Grass
Zweimal im Jahr mistet Vanessa Schanz aus. Dann muss alles raus aus dem Kleiderschrank. Der Jeansrock mit den Nieten, das mittlerweile etwas zu enge schwarze T-Shirt ... Die guten Stücke verscherbelt sie auf dem Flohmarkt: Dass sie die Sachen jedoch ausgerechnet in der Nacht loswird, ist auch für die 28-Jährige neu.
Es ist Freitagabend, 21 Uhr. Auf dem Gelände der Kultfabrik am Münchner Ostbahnhof treffen sich die Feierwilligen. Doch heute führt sie ihr Weg nicht in einen der vielen Clubs, Szenebars oder Imbissbuden. Sie wollen zu Nachtkonsum - Münchens erstem Nachtflohmarkt. Und der ist mehr als nur Feilschen um Kitsch, Kunst, Kultiges, Kleidung und Krempel.
In der TonHalle herrscht deshalb eher Club- als Kaufrauschatmosphäre. Dafür sorgen gedämpftes orangefarbenes Licht und die Bierbar im ersten Stock. Gerade spielt die Münchner Indiepop-Band "Talking Pets", danach gibt es Rock und Punk von den "Flea Market Poets".
Einen Abendflohmarkt für Spätaufsteher zu veranstalten, das ist nichts Neues. Neu ist allerdings die Idee der beiden Veranstalter Stefan Schmidl und Florian Liss, all das miteinander zu kombinieren, was sonst in München nur auf kleinen Hinterhof-Flohmärkten stattfindet: Schnäppchenjagd plus Musik, Essen, Trinken, und Leute kennenlernen - alles an einem Ort.
2007 haben Florian Liss und drei Kommilitonen mit dieser Idee beim 5-Euro-Business-Wettbewerb mitgemacht, der jährlich an bayerischen Universitäten ausgerichtet wird. Sie haben auf Anhieb den zweiten Platz belegt. Seitdem hat sich vieles verändert. Aus dem ehemaligen Studentenflohmarkt ist ein Selbstläufer geworden. Von den Gründern ist nur noch Florian Liss übrig, seit einem Jahr ist sein bester Freund Stefan Schmidl mit an Bord.
Jetzt in München und Stuttgart
2010 wollen sie nun durchstarten: Statt wie bislang zweimal im Jahr findet Nachtkonsum nun viermal allein im ersten Halbjahr statt - und das nicht nur in München, sondern auch in Stuttgart.
Dafür haben die beiden Freunde das Konzept weiter ausgearbeitet, sich Kooperationspartner gesucht und selbstständig gemacht. Mithilfe von Freuden und Familie haben sie fast die gesamte Münchner Innenstadt mit ihrem Logo, einer roten Flamme, tapeziert. "Wie die Guerillas haben wir überall Flyer verteilt, Aufkleber gepappt und wild plakatiert - bis uns die Stadt abgemahnt hat", erzählt Florian Liss.
Ein Einsatz, der sich gelohnt hat: 2500 Besucher und 400 Verkäufer sind am Freitagabend in der TonHalle. Mit ihrem Konzept scheinen die beiden ehemaligen Studenten den Nerv der verwöhnten Münchner Szenegänger getroffen zu haben:
Vor der Halle packt Vanessa Schanz ihren Verkaufstisch ins Auto. Ihre Sachen ist sie fast alle losgeworden. Jetzt will sie noch bleiben, um nach Raritäten zu kramen. Eine gelungene Kombination, findet die 28-Jährige: "Bier trinken mit Freunden und gleichzeitig shoppen an einem Freitagabend, das ist doch perfekt". Flora Anna Grass
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