Barbara Rütting: Das Stehauf-Frauchen
Ein Zusammenbruch beendete die Landtagskarriere von Schauspielerin und Politikerin Barbara Rütting. Jetzt ist die 85-Jährige wieder fit und will anderen Mut machen.
Das Wort „Altersbeschwerden“ scheint in ihrem Vokabular nicht vorzukommen. Mit kerzengeradem Rücken sitzt Barbara Rütting auf dem Sofa und beantwortet Interviewfragen. Es ist ihr 85. Geburtstag. Die Schauspielerin, Autorin, Aktivistin und Politikerin feiert ihn öffentlich, bei ihrem Verlag in München, als „auferstandenes Prachtexemplar“.
Denn vor nicht allzu langer Zeit, bei ihrem Ausscheiden aus dem Bayerischen Landtag, war sie ganz unten. Eine ausgebrannte Frau mit Herzbeschwerden, zutiefst enttäuscht, dass sie mit dem Thema Tierschutz bei allen Fraktionen auf Granit biss. „Auch bei den Grünen“, denen sie damals angehörte.
Die Grünen verließ sie zwei Mal - zuletzt endgültig
Jetzt ist sie wieder da – eine strahlende Erscheinung im eleganten pinkfarbenen Seidenjäckchen. Eine, die auch in Zukunft etwas bewegen will. Außerparlamentarisch. Auf die Zeit im Landtag und auch auf ihre frühere Partei blickt sie mit Groll zurück. „Die wollten mich nur als Zugpferd.“ Doch wenn sie für eine bessere Legehennen-Haltung eintrat, sei sie von den eigenen Fraktionskollegen lächerlich gemacht worden. „Der Tierschutz ist denen schnuppe.“ Sie trat dann zum zweiten Mal bei den Grünen aus, diesmal endgültig, sagt sie. Barbara Rütting, die Unbequeme.
Es musste wohl so kommen. „Geboren als Skorpion – Aszendent Zwillinge – 1927 in Berlin ...“ So beginnt ihr Lebenslauf auf ihrer Website im Internet. Vielleicht ist das die Erklärung für manches, was in den 85 Jahren danach folgte. Die Erklärung dafür, dass sie immer wieder ausscherte, wenn die Richtung für sie nicht mehr stimmte.
Sie war die Geierwally und die ehrbare Dirne
Das war schon so, als sie 1982 ihre Schauspielkarriere beendete. Mit 45 Film-Hauptrollen (darunter in dem Antikriegsfilm „Die letzte Brücke“, in „Canaris“, „Die Geierwally“, oder „Stadt ohne Mitleid“) hat sie Erfolge gefeiert und auf allen wichtigen deutschsprachigen Bühnen große Figuren der Weltliteratur gespielt, von der Lady Macbeth über die ehrbare Dirne bis zur Mutter Courage. Dann kam buchstäblich ein radikaler Schnitt – ihrer Haare nämlich, die sie seither kurz trägt.
Ihre Seele habe Schaden genommen bei der Schauspielerei, sagte sie einmal. Fortan hatte sie Wichtigeres zu tun. Sie konzentrierte sich auf den Umwelt-, Tier- und Menschenschutz, kettete sich bei der Pharmafirma Schering an, um gegen Tierversuche zu protestieren und wurde bei den Friedenstagen in Mutlangen festgenommen, weil sie mit anderen Prominenten versuchte, die Stationierung von Pershing-Raketen zu blockieren. „Eine Querulantin“ nannte sie die Frankfurter Rundschau einmal. Darauf ist sie stolz.
Charakteristische Eigenschaften eines Skorpions
Eine Überzeugungstäterin könnte man sie auch nennen. Skorpione, so sagt sie selbst, sind Gerechtigkeitsfanatiker, die lieber sterben, als ihre Überzeugung zu opfern. Und sie sind treu – nicht unbedingt einer Person, aber einer Idee. Aber sie sind auch ungeheuer empfindsam, grüblerisch, introvertiert, himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt.
Abgemildert wird das in ihrem Fall durch den Zwillings-Aszendenten: „Der holt den Skorpion aus seiner Höhle unter die Menschen.“ Doch das bringt nach ihrer Selbsteinschätzung neues Unheil, eine gewisse Sprunghaftigkeit, Entschlüsse werden schwer getroffen. „Ich will immer alles – sowohl als auch. Entweder oder ist mir ein Gräuel.“
Fleischlose Vollwertkost und viel frische Luft
Schmal wirkt sie heute, aber voller Energie. Die klaren blauen Augen blitzen unter ihrem schneeweißen Pony hervor. Nichts lässt mehr vermuten, dass sie vor drei Jahren nicht mehr leben wollte. Nur ihrer alten Hündin Buddhina zuliebe habe sie weitergemacht. So ist sie jetzt die perfekte Botschafterin für ihr neues Buch „Was mir immer wieder auf die Beine hilft“ (Nymphenburger Verlag). Sie wolle anderen Mut machen. Sie wolle zeigen, dass es möglich ist, den leeren Akku wieder aufzuladen und zur Lebensfreude zurückzufinden. Atemübungen, Bewegung an frischer Luft, Akkupressur, kalte und warme Duschen, das Nickerchen am Nachmittag – es sind altbekannte Hausmittel, die Barbara Rütting geholfen haben. Aber vor allem ist es die fleischlose Vollwertkost. „Du bist, was du isst“ steht über ihren (zum Teil durchaus umstrittenen) Ernährungstipps.
Mit der vegetarischen Vollwertkost beakm sie ihr Rheuma in den Griff. Seit kurzem ernährt sie sich sogar vegan. Sie verzichtet auch auf Butter und Sahne, was ihr schwer fällt. Aber es sei die konsequenteste Form des Tierschutzes. Sie hat ja auch eine Mission: „Ich sehe mich als kleines, aber wichtiges Glied der großen Weltgemeinschaft, zu deren Wohlergehen und Glück ich beitragen kann“, sagt sie pathetisch. Da ist sie wieder, die Schauspielerin, die den effektvollen Auftritt beherrscht.
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