So sieht die Reichsbürgerszene im Landkreis Aichach-Friedberg aus
Nicht zum ersten Mal steht ein Reichsbürger aus Aichach-Friedberg vor Gericht. Wie viele Angehörige der Bewegung gibt es hier und wie ist sie einzuschätzen?
Ja, es gibt sie tatsächlich. Menschen, die glauben, dass sie im Deutschen Reich leben. Sie lehnen die Bundesrepublik Deutschland ab und bestreiten deren Existenz als legitimer und souveräner Staat. Die Rechtsordnung erkennen sie ebenso wenig an, wurde die Weimarer Reichsverfassung von 1919 laut ihnen doch niemals abgeschafft. Deshalb kommt es auch im Landkreis Aichach-Friedberg immer wieder vor, dass Personen, die sich dieser Gruppe zuordnen lassen, bei Anklage nicht vor Gericht auftauchen. Diese Woche stand ein Rentner wegen Nötigung vor Gericht und erschien überraschenderweise zum Prozess. Sein Fall steht exemplarisch für eine ganze Gruppierung, die seit der Pandemie immer mehr Zulauf gewinnt.
50 Menschen werden im Landkreis Aichach-Friedberg laut dem Aichacher Landratsamt verdächtigt, der Reichsbürgerbewegung anzugehören. Dazu kommen drei bestätigte Reichsbürger. "Es gibt Fälle, in denen verbal sehr aggressiv gegenüber der Behörde aufgetreten wird, die meisten Diskussionen verlaufen aber insgesamt friedlich", teilt das Landratsamt auf Anfrage mit. Wenn diese Personen auffällig werden, dann meist als Einzelfall.
Mutmaßlicher Reichsbürger aus Friedberg fordert staatliche Legitimierung
Der Prozess wegen Nötigung am Montag, ein weiterer Einzelfall. Schon die ersten Worte des Angeklagten aus Friedberg klingen für Außenstehende bizarr. "Ich bin nicht der Angeklagte. Ich trete nicht als juristische Person auf, sondern als Mensch", sagt er Richterin Nadine Grimm. Sie nickt nur, scheint von dem ungewöhnlichen Auftreten wenig überrascht zu sein. Der ausweichende Ton des 74-Jährigen wird schnell eindeutig, als er erneut zu Wort kommt. Wiederholt stellt er die immer gleichen Fragen an Richterin Grimm. "Ist das hier ein staatliches Gericht? Sind Sie eine staatliche Richterin?" Es ist offensichtlich, dass er die Legitimität des Amtsgerichts anzweifelt.
Rückblende zum September 2017: Ein 51-Jähriger aus dem Landkreis Aichach-Friedberg soll Landrat Klaus Metzger und einen weiteren Mitarbeiter des Landratsamts in einem Brief beschimpft und massiv bedroht haben. Der vielfach vorbestrafte Mann bezeichnete Metzger als "Nazi", den man hinrichten solle. Der Mann wird der Reichsbürgerbewegung zugeordnet.
Im Landkreis Aichach-Friedberg fielen Reichsbürger der Polizei schon öfter auf
Am Montag muss sich der Rentner aus Friedberg in Aichach wegen Nötigung verantworten. Ende Januar 2022 schickte er ein Schreiben an das Finanzamt Augsburg-Land. Darin forderte er das Amt dazu auf, sich amtlich zu legitimieren sowie eine notarielle Beglaubigung der Gründungsurkunde des Staates vorzulegen. Er setzte eine Frist von 21 Tagen. Sollten die von ihm geforderten Beweise nicht erbracht werden, nehme er das als Zustimmung zu einem privaten, kommerziellen Pfandrecht in Höhe von 700.000 Euro. Dass er durch dieses Schreiben jemanden nötigt, sieht er nicht ein. "Ich habe keine Person genötigt", so der Angeklagte. Der Staatsanwalt erwidert, dass dem 74-Jährigen doch klar war, dass eine Person sein Schreiben liest. "Ich habe gehofft, dass es eine Person liest, aber sicher kann man sich da nicht sein", sagt der Angeklagte.
Ein weiterer Fall im Dezember 2017: Eine Frau aus dem südlichen Landkreis ist wegen Volksverhetzung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen angeklagt. Zur Verhandlung im Amtsgericht Aichach erscheint die 70-Jährige nicht. Sie soll mehrmals Facebook-Beiträge von fremdenfeindlichen Seiten geteilt oder kommentiert haben. Diese waren teilweise rassistisch, teilweise leugnete die Angeklagte laut Staatsanwaltschaft den Holocaust. Außerdem teilte sie Beiträge, auf denen zum Beispiel Hakenkreuz und Hitlergruß zu sehen sind - verbotene Kennzeichen der Nationalsozialisten. Auch sie wird der Reichsbürgerszene zugeordnet.
Reichsbürger nutzen Krisen als Nährboden für ihre Ideologien
Der Staatsanwalt bezeichnet den Angeklagten in seinem Plädoyer als "uneinsichtig". Es folgt der Angeklagte mit seinem Abschlussplädoyer. Er wendet sich an den Staatsanwalt: "Haben Sie eine Genehmigung der Militärregierung für diesen Fall? Wenn nicht, dann verstoßen Sie gegen die Militärgesetze", sagt der Friedberger laut. Die Richterin verurteilt ihn zu einer Geldstrafe von 3000 Euro.
Ähnliche Anfeindungen gibt es gelegentlich auch gegen Polizeikräfte. "Im Nachgang zu dienstlichen Maßnahmen gegen Reichsbürger werden die namentlich bekannten Polizeikräfte angeschrieben. In diesen Schreiben werden den Beamten dann haftungsrechtliche Maßnahmen 'angedroht'", teilt uns ein Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Nord mit. Die meisten Delikte, die mit der Bewegung in Verbindung stehen, sind Erpressung, Beleidigung und Nötigung - wie beim jüngsten Fall im Amtsgericht Aichach.
Gerade in einer Zeit mit vielen gesellschaftlichen Spannungen gilt es, sich vor Extremisten in Acht zu nehmen. Derzeit findet die Vernetzung vorwiegend im virtuellen Raum statt. Das teilt das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz mit: "Eine starke persönliche Betroffenheit durch die aktuellen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen, wie die stark gestiegenen Energiepreise, kann Radikalisierungsverläufe von Einzelpersonen der Reichsbürgerszene befördern." In Einzelfällen sei mit reaktiver Gewalt vonseiten der Reichsbürger zu rechnen.
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