Welche Ansprüche Patienten und Angehörige im Pflegefall haben
Was ändert sich 2017 durch die Pflegegrade? Gibt es Unterstützung, wenn man als Angehöriger eine Auszeit braucht? Wichtige Fragen und Antworten im Überblick.
Zahlreiche Fragen rund um das Thema Pflege haben Wolfgang Jaumann von der AOK Augsburg, Dagmar Schreyer von der Compass Private Pflegeberatung und Christine Sturm-Rudat vom Sozialverband VdK zwei Stunden lang am Lesertelefon beantwortet. Hier ein Überblick über die wichtigsten Informationen, die sie gegeben haben.
Meine Frau hat derzeit Pflegestufe 0 wegen eingeschränkter Alltagskompetenz. Wie wird das dann im nächsten Jahr, wenn es die Pflegegrade gibt? Wird das Pflegegeld weiter gezahlt? Muss man das dann neu beantragen?
Nein. Die Umstellung von den Pflegestufen auf die entsprechenden Pflegegrade erfolgt zum 1. Januar 2017 automatisch. Ihre Frau muss dann auch nicht noch einmal begutachtet werden und käme von der Pflegestufe 0 in den Pflegegrad II. Was das monatlich gezahlte Geld betrifft, bekommt sie sogar statt der 123 Euro Pflegegeld dann 316 Euro.
Ich ersetze meine Mutter, die meinen querschnittsgelähmten Vater pflegt, mehrmals im Jahr, um ihr eine Pause zu gönnen. Können wir die Leistungen der Verhinderungspflege in Anspruch nehmen?
Verhinderungspflege ist genau dafür gedacht. Allerdings können Angehörige bis zum zweiten Verwandtschaftsgrad nur besondere Aufwendungen, beispielsweise Fahrgeld oder Lohnausfall, erstattet bekommen.
Ich pflege meine Mutter mit Pflegestufe II und Pflegegeld, deren Schlafzimmer im Erdgeschoss liegt, während das Bad oben ist. Ich schaffe das nicht mehr und möchte einen ambulanten Dienst einbeziehen. Geht das?
Ja. Reden Sie mit der Pflegekasse Ihrer Mutter über eine Kombi-Leistung. Sie können vereinbaren, dass Sie beispielsweise für die Hälfte der Ihrer Mutter zustehenden Sachleistungen in Höhe von maximal 1.144 Euro einen Dienst engagieren – also für 572 Euro. Dann bliebe Ihrer Mutter noch die Hälfte des bisher bezogenen Pflegegeldes, das sind dann 229 Euro. Es kommt darauf an, wie viel Sachleistungen Sie für Ihre Mutter benötigen.
Ich pflege meine 99 Jahre alte Schwiegermutter bei uns zu Hause und nutze den Zuschuss für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel. Allerdings würde ich gerne andere Mittel einsetzen. Werden die auch bezuschusst?
Den Zuschuss von 40 Euro monatlich für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel bekommt man nur für Materialien, die im Hilfsmittelkatalog gelistet sind. Beispielsweise Schutzhandschuhe, Hautdesinfektionen und Betteinlagen. Wenn Sie eine besondere Creme einsetzen möchten, müssen Sie diese aus eigener Tasche bezahlen.
Ich habe Pflegestufe II und habe von einem Freund gehört, dass man monatlich 104 Euro für Betreuungsleistungen mit der Pflegekasse verrechnen kann. Stimmt das?
Das stimmt. Es gibt zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen als reine Erstattungskosten in Höhe von 104 Euro monatlich – bei erhöhtem Bedarf von 208 Euro monatlich. Damit können Sie beispielsweise Hilfe beim Einkaufen, Begleitdienste oder einen Fahrtdienst zum Arzt verrechnen. Allerdings müssen diese Leistungen von anerkannten Kräften erbracht werden. Sie können bei einem ambulanten Dienst nachfragen, ob dafür Personal vorhanden ist.
Ich pflege meine Mutter mit Pflegestufe II rund 29 Stunden in der Woche und kann deshalb nicht selbst arbeiten gehen. Zahlt die Pflegekasse meiner Mutter für mich in die Rentenversicherung ein?
Ja. Die Pflegekasse Ihrer Mutter zahlt für Sie Rentenversicherungsbeiträge für spätere Rentenansprüche. Allerdings nur, wenn Sie nicht mehr als 30 Stunden in der Woche arbeiten.
Ich überlege, vorübergehend mit der Arbeit aufzuhören, um meinen Vater, der Pflegestufe II mit Tendenz zur Verschlechterung hat, zu Hause zu pflegen. Wie kann ich das finanziell hinbekommen?
In Absprache mit Ihrem Arbeitgeber können Sie der Arbeit sechs Monate fernbleiben, allerdings ohne Entgelt. Auf Antrag bezahlt die Pflegekasse Ihres Vaters einen Teil der Sozialversicherungsbeiträge einschließlich Arbeitslosenversicherung. Darauf haben Sie einen Gesetzesanspruch, wenn der Betrieb, in dem Sie arbeiten, mindestens 15 Mitarbeiter hat. Sie können diese Auszeit auf 24 Monate ausweiten. Die wöchentliche Arbeitszeit muss aber dann mindestens 15 Stunden betragen. Dem kann Ihr Arbeitgeber zustimmen, sofern mindestens 25 Mitarbeiter im Unternehmen tätig sind. In dieser Zeit besteht Kündigungsschutz. Um den Verdienstausfall zu kompensieren, steht Ihnen ein zinsloses Darlehen des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben in Köln zur Verfügung. Das müssen Sie natürlich zurückzahlen.
Die Höherstufung meiner Schwiegermutter von Pflegestufe II auf III wurde abgelehnt. Als der Gutachter da war, hatte sie einen ihrer besseren Tage. Das variiert sehr stark. Insgesamt benötigt sie aber viel mehr Hilfe. Was sollen wir tun?
Legen Sie innerhalb der Frist von vier Wochen Widerspruch ein. Falls die Zeit drängt, machen Sie das zunächst formal mit dem Hinweis, die Begründung nachzuliefern. Führen Sie über mehrere Tage ein Pflegetagebuch, in dem Sie festhalten, wann Sie wie lange Ihrer Schwiegermutter behilflich sind. Damit werden die extremen Schwankungen deutlich und Sie können bei einer erneuten Begutachtung besser argumentieren.
Was passiert mit Vermögen, wenn unsere Mutter oder wir einmal ins Heim müssen? Würde sich eine private Pflegezusatzversicherung lohnen?
Zum ersten Teil Ihrer Frage: Um die Heimkosten zu finanzieren, werden Leistungen der Pflegeversicherung, Einkommen und Vermögen des Pflegebedürftigen herangezogen –bis zu Vermögensfreibeträgen. Zum zweiten Teil: Eine Pflegezusatzversicherung sollte man so jung wie möglich abschließen, um sich günstige Beiträge zu sichern. Welchen Tarif Sie letztlich wählen, hängt ganz davon ab, was Sie im Pflegefall als Leistung erwarten. Dementsprechend fallen dann auch die monatlichen Beiträge aus. Holen Sie mehrere Angebote ein und vergleichen Sie das Preis-Leistungs-Verhältnis.
Seit Oktober letzten Jahres pflege ich meine Mutter mit Pflegestufe II zu Hause. Jetzt möchte ich eine Woche in den Urlaub fahren. Ich habe keinen Ersatz für mich.
Versuchen Sie es mit der Kurzzeitpflege. Vorausgesetzt, Ihre Mutter spielt mit, kann eine Ortsveränderung sogar eine gute Wirkung auf Ihre Mutter haben. Fahren Sie mit ihr in eine Einrichtung, damit sie sich das vorher ansehen kann. Kurzzeitpflege kann man insgesamt für acht Wochen im Jahr in Anspruch nehmen. Dafür stehen insgesamt 1.612 Euro zur Verfügung, die man für Pflegeleistungen im Heim abrechnen kann. Sie können gegebenenfalls noch nicht genutzte Mittel aus der Verhinderungspflege zusätzlich verwenden.
Unsere Mutter hat Pflegestufe II und ist dement. Ihr Mann ist 80 und pflegt sie aufopferungsvoll. Dabei wird er selbst immer schwächer. Aber ein Heim kommt für ihn überhaupt nicht infrage. Wir machen uns große Sorgen, wie es weitergehen soll.
Besprechen Sie die Situation im Familienrat. Sie müssen Überzeugungsarbeit leisten und Ihrem Vater klarmachen, dass er selbst zum Pflegefall werden und dann nicht mehr für seine Frau da sein kann. Eventuell sind ein Heimplatz für die Mutter und ein Platz im Betreuten Wohnen in der gleichen Einrichtung eine Lösung.
Meine Lebensgefährtin ist privat krankenversichert und hat jetzt die Pflegestufe II erhalten. Ich werde sie betreuen. Welche Leistungen bekommt sie von der Pflegekasse?
Die Leistungen der Pflegeversicherung sind für privat und gesetzlich Versicherte gleich. Bei Pflegestufe II gibt es 458 Euro monatlich an Pflegegeld beziehungsweise Sachleistungen für 1.144 Euro oder eine Kombination aus beidem. Außerdem kann Ihre Lebensgefährtin die Kurzzeitpflege und die Verhinderungspflege in Anspruch nehmen für acht beziehungsweise sechs Wochen mit jeweils 1.612 Euro im Jahr. Es gibt zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen für monatlich 104, bei erhöhtem Bedarf 208 Euro. Dazu kommt ein Zuschuss für Pflegehilfsmittel von monatlich 40 Euro. Lassen Sie sich von einem Pflegeberater der Compass Private Pflegeberatung darüber informieren, was Ihrer Lebensgefährtin zusteht. Diese Beratung steht jedem Pflegebedürftigen und seinen Angehörigen per Gesetz kostenfrei zu. Gesetzlich Versicherte wenden sich an ihre Pflegekasse oder an den Pflegeservice Bayern.
Bei meinen Mann wurde Demenz festgestellt. Man riet uns, einen Antrag auf Pflegestufe 0 zu stellen. Was hat es damit auf sich?
Die Pflegestufe 0 ist für Menschen gedacht, die in ihrer Alltagskompetenz erheblich eingeschränkt sind, aber nur einen ganz geringen Hilfebedarf in der sogenannten Grundpflege haben. Wenn bei Ihrem Mann eine Demenz oder eine ähnliche Erkrankung vorliegt, sollten Sie bei der Pflegekasse Ihres Mannes einen Antrag auf diese Leistung stellen. Das wären monatlich 123 Euro Pflegegeld, wenn Sie ihn beaufsichtigen. Wenn Sie einen Pflegedienst engagieren, sind das 231 Euro monatlich, die Sie mit dem Dienst abrechnen können.
Ich bin alt und krank, habe aber keine Pflegestufe. Ich schaffe meinen Haushalt nicht mehr. Bezahlt mir meine Pflegekasse eine Haushaltshilfe?
Solange Sie noch keine Pflegestufe haben, müssen Sie eine Haushaltshilfe aus eigener Tasche bezahlen. Stellen Sie bei der Pflegekasse zunächst einen Antrag auf Zuerkennung einer Pflegestufe. Reicht Ihr täglicher Hilfebedarf – 90 Minuten, davon mehr als 45 Minuten in der Grundpflege – jedoch für die Pflegestufe nicht aus und ist Ihre Rente zudem niedrig, kann das Sozialamt mit der Hilfe zur Pflege einspringen. Dafür werden jedoch Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse geprüft.
Mein Vater wird nach einem Schlaganfall als pflegebedürftig aus dem Krankenhaus entlassen. Wir müssen eine Menge für seine Betreuung regeln. Kann ich mir von der Arbeit frei nehmen?
Ja. Zehn Tage können Sie der Arbeit fern bleiben. Sie müssen Ihren Chef informieren und eine ärztliche Bescheinigung vorlegen. Für den Verdienstausfall steht Ihnen das Pflegeunterstützungsgeld zu. Das wird in Höhe des üblichen Kinderkrankengeldes gezahlt. Allerdings trifft das nur zu, wenn Ihr Betrieb mindestens 15 Mitarbeiter hat.
Kann meine Mutter, die eine Pflegestufe hat, einen Zuschuss für den Umbau des Bades bekommen?
Ja. Ihre Mutter stellt bei Ihrer Pflegekasse einen Antrag auf den Zuschuss für Wohnumfeld verbessernde Maßnahmen. Bis zu 4.000 Euro Zuschuss kann man beispielsweise für eine bodengleiche Dusche oder den Einbau eines Treppenlifts bekommen.
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