Rijeka: Kulturhauptstadt mit schrägem Charme und Meer
Rijeka an der kroatischen Adriaküste ist 2020 Kulturhauptstadt. Ein verrücktes Museum hat es schon zu Ruhm gebracht. Doch die Stadt hat noch viel mehr zu bieten
Am Kai ragen die Kräne wie rostige Gräten in den grauen Himmel, dahinter verlaufen alte Schienenstränge. Ab und an rattert noch ein Containerzug vorbei, träge und langsam quer durch die Stadt, entlang an alten Fabriken und stillgelegten Werften.
Kroatiens drittgrößte Stadt hat bessere Zeiten gesehen. Doch jetzt soll Schluss sein mit der postindustriellen Melancholie: Rijeka ist Europäische Kulturhauptstadt 2020.
Das Motto "Hafen der Vielfalt" steht für neues Leben an der Kvarner Bucht, wo Industriebrachen sich in Kulturzentren verwandeln sollen. Zum Beispiel die ehemalige Holzlagerhalle Exportdrvo, die schon jetzt als Konzertsaal dient. Betoncharme und bunte Graffiti haben ihren ganz eigenen Reiz. Die Halle soll 2020 zum Hotspot für Ausstellungen, Filme und Musik werden. Wenn alles nach Plan läuft, werden die Besucher dann per Zipline von der hoch gelegenen Burg Trsat herbeisausen. In anderen Lagerhallen sind unter dem Label Delta 5 Künstler eingezogen. Schließlich soll im Kulturhauptstadtjahr ein reichhaltiges Programm unter dem Motto "Hafen der Vielfalt" Kulturinteressierte anlocken.
Unweit der Holzlagerhalle dümpelt ein rostzerfressenes Geisterschiff vor sich hin. Es ist die sagenumwobene "Galeb" (Möwe) des ehemaligen Staatschefs von Ex-Jugoslawien, Josip Broz Tito. "Rijeka muss sich neu erfinden und die tote Werftindustrie begraben", sagt Historikerin und Projektleiterin Natasa Babic, während sie mit beherztem Schritt die wackelige Gangway der "Möwe" erklimmt. 1938 ursprünglich als Bananenhandelsschiff gebaut, 1944 als Minenleger versenkt, lag das Schiff drei Jahre lang auf dem Meeresgrund, bevor Tito es schließlich 1952 zu seiner maritimen Staatslimousine erkor, erzählt sie. Er habe damit unter anderem Ägypten und sogar Indien besucht.
Die Ruine soll ein Museumsschiff werden
Heute tropft von den Decken das Wasser. Wandverkleidungen, Kabel und Seile liegen am Boden. Zum Glück wurden das plüschige Schlafzimmer, die Couchgarnitur und die Bar rechtzeitig ausgelagert. Bis hoffentlich zum Ende des Kulturhauptstadtjahres soll aus der Ruine für acht Millionen Euro ein Museumsschiff werden. "Hier werde ich die wahre Tito-Geschichte erzählen und aufräumen mit dem Klischee des Diktators und Lebemannes", verspricht Babic. Ein Hotel mit Restaurant soll auf und unter Deck für schwarze Zahlen sorgen.
Wenige hundert Meter von der Schiffsruine und den Krangerippen entfernt, sitzt man am späten Nachmittag auf der Flaniermeile Korzo. Vanillegelbe Prachtfassaden, getupft mit weißem Schlagobersornament, erinnern an die Zeiten der K.-u.-k.-Monarchie. "Wir treffen uns an der Uhr", am Stadtturm – das ist hier ein geflügeltes Wort. Und Auftakt zum Flanieren auf Rijekas Freiluft-Laufsteg.
In der Caffe Bar Filodrammatica nippt die Jugend unter zehn bombastischen Kristall-Lüstern am Latte macchiato. Man bestaunt die Opulenz – bis der Blick auf einen Durchgang fällt: Da stapeln sich Leihbücher, reihen sich die Regale der Stadtbibliothek aneinander. Von hier treten ältere Damen mit Weltliteratur unterm Arm ins Café. Trotz des Pomps ist es ein klassenloser Ort. Ein Bilderbuch kroatischer Geschichte zwischen Monarchie, Faschismus und Kommunismus, zwischen den Jahrhunderten österreichischer, ungarischer, italienischer und jugoslawischer Vorherrschaft. Nur sich selbst gehörten die Kroaten selten. "Wir waren immer die, die andere bedient haben", sagt ein älterer Herr und zuckt mit den Schultern.
Auch den industriellen Reichtum sahnten oft auswärtige Fabrikanten ab. Trotzdem boomte Rijeka im 19. Jahrhundert, zählte zu den größten Häfen Europas. Der Aufstieg wäre ohne das Delta der Rjecina, die hier in die Adria mündet, nicht möglich gewesen. Der Fluss brachte den Wohlstand, als mit Beginn der Industrialisierung an seinen Ufern die Produktionsstätten emporwuchsen.
Begehbare Gärten auf den Hochhausdächern
Wer durch die Schlucht die rund 500 Stufen vom Trsat hinabläuft, hat mit der alten Papierfabrik und den Hochhaussilos die Geschichte der heute knapp 130.000 Einwohner zählenden Stadt im Blick. "Sweet and Salt" hat Morana Matkovic vom Kulturhauptstadtkomitee folgerichtig ihr Projekt genannt, mit dem sie die alten Lebensadern zurück ins städtische Bewusstsein holen will. Gemeint sind sich vermischendes Süß- und Salzwasser. Entlang des Wasserweges werden begehbare Gärten die Hochhausdächer begrünen, im Verkehrsgetümmel soll ein Pavillon zur Meditation einladen. Der Höhepunkt liegt im Delta mit den Aufführungen alternativer Hochkultur in der Exportdrvo.
Das Unfertige, das Authentische, das Gegenbild zu den Hochburgen Opatija und Krk ist Rijekas schräger Schatz, den die Stadt endlich zeigen will. Dazu passt ihr einziges Museum von Weltrang, 300 Quadratmeter klein. Es widmet sich alten Computern.
"Schauen Sie ins Internet", sagt Gründer Svetozar Nilovic, 48. "Das Peek&Poke ist die Nummer-eins-Attraktion in Rijeka." Mehr als 7000 Besucher jährlich kommen aus der ganzen Welt: Neuseeland, Finnland, Hongkong. Der Commodore 128 war vor zwölf Jahren Nilovics Auftakt zu einer mehr als 1000 Objekte zählenden Sammlung. Taschenrechner der ersten Generation, eine grotesk große Festplatte von 1980 und der Computer der Olympischen Spiele von Sarajevo 1984 zählen dazu. "Ich wollte wieder die simplen Computerspiele meiner Kindheit spielen", erklärt Nilovic sein Sammelfieber. Die Besucher dürfen sich an den Objekten austoben: Anfassen und spielen ausdrücklich erlaubt. "Das unterscheidet uns von anderen Museen."
Von der Stadt wünscht sich Nilovic mehr Kooperation und größere Räume, um mehr zu zeigen, einen kleinen Souvenirshop einzurichten. Irgendwann würde er gern von seiner Leidenschaft leben können. Vielleicht bringt das Kulturhauptstadtjahr den Anreiz zu investieren, damit Rijekas Mini-Museum von Weltrang bald ganz groß herauskommt.
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Die Diskussion ist geschlossen.
Wir waren im Juni 2019 in Rijeka.Von Augsburg ist man in 6 - 8 std dort. Es ist noch nicht so touristisch erschlossen und man muss sich alles ein bisschen erarbeiten. Man kann sehr viel unternehmen - Kultur, Essen, Shoppen, Baden. Teilweise ist es noch recht preiswert. Ich denke es ist von Vorteil ein Auto zu haben, die Stadt ist ziemlich hügelig. Die Strände sind schön und wild. Oft über Treppen erreichbar. Oft ist das Parken kostenlos, und man trifft viele Einheimische. Kaffee, Snacks sind am Strand recht günstig, es gibt aber zum Beispiel wenig Mülltonnen oder keine Wasserwacht. Tolles blaues Wasser - man sollte kein Problem mit einem Steinstrand haben.
Wir hatten eine Airbnb Unterkunft für unter 500€ für 2 Wochen. Die Vermieter waren sehr nett und sprachen Englisch. Sonst die die Kroaten oft recht herb. Viele sprechen Englisch oder Deutsch.
Die Innenstadt ist oft sehr schön und auch der Hafen. Morbider Charme ... Man merkt das sich etwas verändert, neue Lokale usw entstehen. Viele geschlossen Werften, viele Hochhäuser, aber auch tolle Altbauten. Es hat uns bisschen an Triest erinnert.
Ich denke so ähnlich war Kroatien früher, vor dem Tourismus. Ein ziemlicher Unterschied auch zur ganzen Istrien Region. In 20 min ist man in Opatija - eine ganz andere Welt. Auch die Insel KRK erreicht man in 50min über eine Brücke.
Ich denke Rijeka wird sich in den nächsten Jahren extrem verändern. Das erste Hilton Hotel wird schon gebaut. Somit ist man jetzt noch in einer Zwischenphase die ganz interessant ist.
Schöne Grüße, ugodan dan