So bereitet sich die neue Intendantin des Landestheaters auf den Neustart vor
Sarah Kohrs leitet das Landestheater ab der Spielzeit 2024/25. Sie kommt schon jetzt häufig nach Memmingen. Was sie zur Neubesetzung des Ensembles sagt.
Einmal die Woche kommt Sarah Kohrs, die designierte Intendantin des Landestheaters Schwaben (LTS), schon jetzt nach Memmingen. Oft bleibt sie dann aber nicht in der Stadt, sondern fährt weiter in einen der weit verstreuten LTS-Gastspielorte. Denn eines ihrer Ziele sei, die Landesbühne bei den Mitgliedern des Zweckverbands wieder mehr ins Bewusstsein zu rücken und dort öfter zu spielen, sagt sie. Thema bei Kohrs Arbeitsbesuchen am LTS, das sie ab der Spielzeit 2024/25 leiten wird, ist natürlich auch ihr künftiges Ensemble – mit dessen Umbesetzung sie bereits einigen Staub aufgewirbelt hat.
Sehr positiv sei die Resonanz auf ihre Besuche in den Gastspielorten, berichtet Kohrs. Sie habe da durchaus Nachholbedarf gespürt. Die Mitglieder des Zweckverbands zahlen einen Sockelbetrag ans LTS und bekommen dafür Vorstellungen zu sehr günstigen Konditionen. In Kohrs Augen wird das aber zu wenig angenommen. Sie versteht nicht, dass manche stattdessen Tourneetheater engagieren, die mindestens das Doppelte kosten, obwohl sie damit „die Katze im Sack kaufen“. Kohrs betont, ihr künftiges Programm decke alle Publikumswünsche ab, niemand könne sagen, er finde sich darin nicht wieder. Ein Musical, Komödien, ein regionales Stück, zeitgenössisches Theater, Uraufführungen, moderne Klassiker für Schulklassen und das Weihnachtsstück: da sei für jeden etwas dabei. Alle Inszenierungen seien mobil und könnten jederzeit auf Tour gehen. Besonders auch an die Kinder- und Jugendstücke des Jungen Landestheaters denkt Kohrs dabei. „Mit dieser Sparte hat Kathrin Mädler Großes geschaffen“, sagt sie. Jedes Kind sollte mindestens einmal im Jahr ins Theater gehen, wünscht sich Kohrs, das müsse auch politisch mehr unterstützt werden.
"Die Zahlen, die verbreitet werden, stimmen nicht"
Was den Vorwurf anbelangt, sie wolle praktisch das komplette Ensemble austauschen, stellt Kohrs klar: „Die Zahlen, die auch von der Bühnengewerkschaft verbreitet wurden, stimmen nicht.“ Sie habe die Personalverantwortung für 14 Schauspieler und Schauspielerinnen, zwei davon sind im Ensemble des Jungen LTS. „Ich habe alle mindestens zweimal angeschaut, mit jeder und jedem ein Gespräch geführt und weitere Bedingungen geklärt, wie zum Beispiel die musikalische Eignung.“ Sieben habe sie die Verträge nicht verlängert. Die andere Hälfte hätte das Angebot bekommen zu bleiben. Milena Weber habe das Haus aber bereits im Sommer 2023 freiwillig verlassen. „Von den verbleibenden sechs haben André Stuchlik und Klaus Philipp bereits zugesagt, die anderen vier haben noch Zeit bis Ende Oktober, sich zu entscheiden.“
Warum eine Ausstattungsleiterin so wichtig fürs Theater ist
Hinter der Bühne ergibt sich ein ähnliches Bild: Von den drei Dramaturgen und drei Regieassistenten habe sie jeweils einen gebeten, etwas Neues suchen. Für die wichtige Position der Ausstattungsleiterin wolle sie aber jemanden mitbringen, mit der sie seit 22 Jahren zusammenarbeitet, kündigt Kohrs an. Das habe künstlerische und praktische Gründe. „Sie wird das Erscheinungsbild des Theaters prägen“, sagt die designierte Theaterchefin. Diese Ausstatterin habe bereits in vielen größeren Häusern gearbeitet und sei eine sehr verlässliche Partnerin.
Besondere Situation durch Interimsintendanz
Kohrs will nun zum einen Schauspieler und Schauspielerinnen engagieren, mit denen sie schon zusammengearbeitet hat, zum anderen Berufsanfänger. Besonders wichtig ist ihr dabei, mehr Frauen im Alter von Mitte 30 bis 50 im Team zu haben (noch ältere habe sie nicht zu einem Wechsel bewegen können). „Das jetzige Ensemble geht in seiner Zusammensetzung an der Realität vorbei“, sagt sie. Zudem hätte sie aufgrund der gestiegenen Gagen eine Stelle streichen müssen, wenn sie nicht wieder Leute direkt von der Schauspielschule holen würde, die erst einmal weniger verdienen. Das sei ein Punkt von vielen in ihrer Personalplanung, sagt Kohrs. Die jetzt für alle Beteiligten unangenehme Situation sei durch die zwei Jahre Interimszeit entstanden, in denen das Intendanten-Duo Christine Hofer und Alexander May etwas aufgebaut hätte. „Aber ich will wieder neu starten, das ist für alle schmerzlich und sorgt für Verwirrung“, ist sie sich bewusst.
Mitbringen wird Kohrs natürlich auch ihre eigene Theaterhandschrift. Sie kommt von einem sehr schauspiellastigen Studium am Max-Reinhardt-Seminar in Wien, wo sie etwa auch fechten, historische Tänze oder Körpersprache von Samy Molcho gelernt hat. In dieser Tradition sei die inhaltliche Ausrichtung ihrer Inszenierungen extrem an den Spielern orientiert. Das LTS könne ohnehin keine großen technischen Finessen aufbieten – und die Gastspielorte noch weniger. Kohrs verweist dabei auf die Urform des Theaters „einer spielt, einer schaut zu“. Ein lebendiges Theater mit klaren Figuren brauche keine multimedialen Effekte. „Was nützt mir der schönste Regiegedanke, wenn er dann nicht zu sehen ist?“ fragt Kohrs. Nach diesem Ansatz wähle sie auch ihre Regieteams aus. Vorbild ist ihr auch das amerikanische Theater, wo „noch die tiefste Tragödie als Unterhaltung umgesetzt wird“.
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