„Stillen passt nicht in mein Lebenskonzept“
Mutter und Ärztin, 39, Großraum Augsburg:
Bereits vor der Schwangerschaft stand für mich schon immer fest, dass ich nicht stillen möchte. Stillen passt nicht in mein Lebenskonzept. Ich hätte mich durch das Stillen massiv in meiner Lebensführung und meinem Lebensstil eingeschränkt gefühlt. Ich mochte mich nach neun Monaten Schwangerschaft mit all ihren Verzichten nicht länger irgendwelchen Ernährungsdiktaten unterwerfen. Beim Konsum von bestimmten Lebensmitteln, Getränken oder auch Medikamenten wollte ich wieder unabhängig sein und meine Tochter nicht gefährden.
Ich wollte nicht ausschließlich und alleine für die Ernährung unseres Kindes zuständig sein, sondern auch einmal die Freiheit genießen, alleine etwas zu unternehmen und gleichzeitig natürlich auch meinem Mann ermöglichen, unser Kind im Arm zu halten und es zu füttern (was er sehr genossen hat!). Abgesehen davon habe ich gleich nach dem Mutterschutz wieder halbtags zu arbeiten begonnen, sodass das Stillen auch mein Berufsleben verkompliziert hätte.
Ich habe eine emotionale Abneigung gegen die Vorstellung, ein Kind zu säugen
Dazu kommt tatsächlich auch eine gewisse emotionale Abneigung meinerseits gegen die Vorstellung, ein Kind an meiner Brust zu säugen. Ich habe ohnehin sehr empfindliche Haut und schmerzende und entzündete Brustwarzen wären mir schlicht und einfach ein Graus gewesen. Auch empfand ich das Gefühl des Saugens als eher unangenehm und hätte das nicht mehrmals täglich für mehrere Monate aushalten wollen.
Ich habe bereits bei Planung der Kaiserschnittgeburt im Krankenhaus auf Nachfrage angegeben, nicht stillen zu wollen. Nach der Entbindung habe ich meine Tochter einmalig zur Gabe des Kolostrums an die Brust angelegt und bald danach vom Pflegepersonal die Medikamente zum Abstillen erhalten. Alle auf der Geburtshilfe dieses Krankenhauses beteiligten Berufsstände verhalten sich hier äußerst professionell und neutral. Die Wünsche werdender oder frischgebackener Mütter werden in jedem Fall respektiert und unterstützt, und auf gar keinen Fall werden sie in irgendeiner Art und Weise (ab-)wertend kommentiert. Wie wir leider alle wissen, ist dies nicht in jedem Krankenhaus selbstverständlich. Mir sind, vor allem aus meinem beruflichen und privaten Umfeld als Ärztin, genug gegenteilige Beispiele bekannt. Ich kenne nicht stillende Mütter, die nach der Entbindung leider mit Unverständnis und teils auch unverhohlener Anfeindung und Benachteiligung seitens des medizinischen Personals konfrontiert wurden.
Wirkliche Ablehnung im Gesundheitswesen habe ich zum Glück nie erfahren. Eine Begebenheit während meiner Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft blieb mir jedoch im Gedächtnis: Meine behandelnde Gynäkologin wollte mich, als die Sprache auf das Thema kam, sehr eindringlich zum Stillen überreden, was ich persönlich in besagtem Moment als eher unangemessen und aufdringlich empfand.
Anderen Fläschchenmamas wird ungefragt von Fremden ein schlechtes Gewissen gemacht
In meinem engeren Freundeskreis wurde meine Entscheidung nahezu durchweg positiv aufgenommen; meine Freunde zeigten Verständnis und Respekt. Es war einfach auch kein großes Thema. Nur ganz vereinzelt wurde ich gelegentlich von Freunden gezielt auf die Vorteile des Stillens hingewiesen, zum Glück aber nie wirklich wertend oder drängend. Von einigen Verwandten wurde ich mit gewisser Verwunderung (und vielleicht auch mitschwingender Kritik) in der Stimme gefragt: „Ja, stillst du denn gar nicht?“ Meine Antwort war jedes Mal ein kurzes und bestimmtes „Nein“, womit die Diskussion dann beendet war.
Des Weiteren hatte ich auch das Glück, in der Öffentlichkeit nie von Fremden auf das Nicht-Stillen angesprochen worden zu sein. Von anderen Fläschchenmamas dagegen weiß ich, dass ihnen auf Spielplätzen oder in Parkanlagen ungefragt von wildfremden Leuten ein schlechtes Gewissen gemacht wurde.
Fläschengeben kann genauso das Beste für mein Kind sein
Ich persönlich lasse mir durch den Druck, der durch bestimmte Institutionen bezüglich des Stillens in der Öffentlichkeit auf uns Mütter ausgeübt wird, kein schlechtes Gewissen machen und stehe zu meiner Entscheidung. Ich ärgere mich jedoch gelegentlich über meines Erachtens unreflektierte Aussagen wie „Stillen ist das Beste für Ihr Kind!“. Ganz abgesehen davon, dass eine solche Aussage ein Schlag ins Gesicht jeder Mutter ist, die stillen möchte, aber nicht kann, ist diese Botschaft schlicht und einfach nicht pauschal auf jede Mutter und jedes Kind anwendbar! Die Qualität der Muttermilch und damit der Ernährung und Entwicklung des Kindes ist sowohl inter- als auch intraindividuell so verschieden, weil sie abhängig von unterschiedlichsten Faktoren ist; mit Stichworten wie Ernährung, Psyche, Gesundheit, Bedarf/Bedürfnisse, Umwelteinflüsse seien nur ein paar davon einmal genannt! „Stillen KANN das Beste für Ihr Kind sein“, sollte es daher korrekterweise lauten. Fläschchen geben kann aber genauso das Beste für mein Kind sein, und auf gar keinen Fall ist es schädlich oder minderwertig (was ja leider in dem Zusammenhang auch gleich oft impliziert wird).
Die Bindung wird nicht durch die Ernährung gefestigt, sondern durch Zuneigung, Vertrauen, Nähe und Ansprache
Ich selbst fühle mich durch diese Slogans nicht verletzt, kann mir aber gut vorstellen, dass es Mütter gibt, denen das richtig wehtut. Aus medizinischer und psychologischer Sicht möchte ich an dieser Stelle auch noch darauf hinweisen, dass die so essentiell wichtige Bindung zwischen Mutter (oder besser: Eltern!) und Kind nicht durch die Art der Ernährung gefestigt wird, was in o.g. Zusammenhang ja auch gerne von manchen Seiten behauptet wird, sondern durch bedingungslose Zuneigung und Vertrauen sowie Nähe und Ansprache!
Meinem Flaschenkind jedenfalls ergeht es bestens, es ist wunderbar gediehen, hat eine sehr enge Bindung zu uns, ist ausgeglichen und fröhlich und trotz erhöhter Exposition gegenüber verschiedensten Krankheitserregern in der KiTA tatsächlich eher selten krank. Die Babyzeit mit Fläschchennahrung verlief für uns sehr entspannt. Wir haben uns schon vor der Geburt den „Milchvollautomaten“ BabyBrezza Formula Pro besorgt, der uns in den ersten zehn bis elf Monaten unbezahlbare Dienste geleistet hat, solange sich unsere Tochter noch mehrmals täglich eine Flasche Formula-Milch gegönnt hatte. Beim Weggehen mit Baby hatten wir eine Thermoskanne mit heißem Wasser und einen Behälter zum Erhitzen der Fläschchen dabei, das war natürlich etwas umständlicher, hat aber letztlich genauso gut funktioniert. In meinem Freundeskreis sind einige Mamis, die nicht gestillt haben, daher hatte ich auch immer Ansprechpartner, wenn es um Fragen zum Thema Flaschennahrung ging.
Mein Mann hat es genossen, unsere Tochter zu füttern
Mein Mann hat es, wie bereits erwähnt, sehr genossen, unsere Tochter auch selbst füttern zu können; ich selbst fand es währenddessen sehr angenehm, zur Abwechslung bei Bedarf jederzeit rausgehen und etwas alleine unternehmen zu können, also unabhängiger zu sein; es war erleichternd, nicht immer auf bestimmte Nahrungs- und Genussmittel verzichten zu müssen bzw. auf der anderen Seite aber auch ohne schlechtes Gewissen Diät halten zu können, um möglichst schnell die noch störenden Schwangerschaftspfunde zu verlieren.
Und ein weiterer angenehmer Effekt des Nicht-Stillens: Unsere Nächte waren wesentlich ruhiger und erholsamer als die der Still-Mamis! Selbst in den ersten Tagen und Wochen musste ich in der Zeit zwischen 23 und 7 Uhr nur etwa zweimal Fläschchen geben (was ich in meinem individuellen Fall sogar noch nicht mal als „Belastung“ empfand, da ich schon immer einen unruhigen Schlaf habe und mehrmaliges Aufwachen in der Nacht gewöhnt bin). Mit gut zwei Monaten fing unser Kind dann auch an, zwischen 21 und 6 Uhr durchzuschlafen. Ich kenne kein Stillkind, das seiner Mutter von Anfang an so lange Schlafpausen gegönnt hätte und konnte mich in der Hinsicht also sicher nicht beschweren.
Das Fläschchen-Geben hat alles in allem einwandfrei in unser Familienleben gepasst und ich war und bin mit meiner Entscheidung absolut zufrieden und glücklich und würde es auch bei einem weiteren Kind wieder genauso handhaben.
Die Diskussionen im Internet sind zum Fremdschämen
Abschließend möchte ich noch sagen, ich wünsche mir sehr, dass die Menschen dieses Thema betreffend mehr Toleranz entwickeln, dass andere Lebensweisen akzeptiert werden und man sich nicht so sehr gegenseitig runtermacht und anfeindet. „Diskussionen“ zu diesem Thema in sozialen Netzwerken wie Facebook zu verfolgen ist ein einziger großer Akt des Fremdschämens! Letztlich wollen wir Mamas doch allesamt nur das Beste für unsere Kinder. Akzeptieren wir doch einfach, dass jede Mama dafür ihren eigenen persönlichen Weg finden darf! (lea)
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