Annemarie Harder und ihre Krumbacher „Herzis“
Vor 30 Jahren wurde die Herzsportgruppe in Krumbach gegründet. Mittlerweile gibt es eine Zweite. Was dort gemacht wird.
Das Herz, Dreh- und Angelpunkt des Lebens, medizinisch wie symbolisch: Für Annemarie Harder ist es in jeder Hinsicht ein wichtiger Teil ihres Lebens und das bereits seit Jahrzehnten. Vor 30 Jahren gründete sie, gemeinsam mit dem damaligen Klinikarzt Hans Peter Otter, die Koronarsportgruppe Krumbach. „Ich war schon immer sportlich, habe mich neben meinem Beruf als Röntgenassistentin auch als Übungsleiterin Gymnastik in der Betriebssportgruppe engagiert. Als unser Kardiologe Otter die Einrichtung einer Herzsportgruppe in Angriff nahm, war ich deshalb ein nahe liegender Ansprechpartner,“ erzählt sie.
Um die spezifische Patientenriege gezielt und gefahrlos trainieren zu können, bedurfte es allerdings noch mancher Aus- und Fortbildungen, erinnert sich Annemarie Harder. „Ich hatte sehr tolerante Kollegen, dank deren Flexibilität im Schichtdienst ich die Schulungen neben meiner Arbeit absolvieren konnte.“ Bis heute erweitert sie in regelmäßigen Kursen ihr Fachwissen, erarbeitet neue Übungen. „Um eine Herzsportgruppe zu trainieren, benötigt man medizinisches Vorwissen und genaue Kenntnisse über Herz-Kreislauferkrankungen und die Wirkungen des Blutdrucks,“ erläutert sie.
Eine Sportgruppe für Herzkranke
Für Menschen, die eine Herz- oder Kreislauferkrankung hatten und haben sei es ratsam, sich einer solchen spezifischen Sportgruppe anzuschließen. Das betreffe den Stentpatienten ebenso wie den mit erlittenem Infarkt, Herz-Rhythmus-Störungen oder Bypassoperierte. „Viele der Patienten können ihre früheren Sportarten nicht mehr ausüben. Für Herzerkrankte gibt es eine Reihe von Übungen, die ausgeschlossen werden müssen. Schnelle Sprits etwa oder Übungen bei denen Druck auf das Herz ausgeübt wird. Wir trainieren deshalb nie im Liegen. Wichtig ist auch eine an die Leistungsfähigkeit der Patienten angepasste Trainingsgeschwindigkeit,“ führt Harder weiter aus.
Von Herzerkrankungen betroffen können alle Menschen sein, fitte wie unsportliche, alte wie junge, Männer wie Frauen. Die Patienten in der Herzsportgruppe decken eine große Altersspanne ab: Der Jüngste ist 36, der Älteste 90 Jahre. Eine so heterogene Gruppe unter einen Hut zu bringen, ist seit 30 Jahren eine besondere Herausforderung für Annemarie Harder, die sie Woche für Woche meistert. „Dass die Sportlergruppe inzwischen so groß geworden ist und geteilt werden musste, hilft dabei. So können wir eine Schongruppe und eine für fittere Patienten bilden,“ erläutert sie.
Ein Arzt checkt alle durch
Für alle gilt aber: Vor der Trainingsstunde müssen der Blutdruck, Puls und die Sauerstoffkonzentration gemessen werden. In jeder Stunde ist ein Arzt anwesend, der die Daten aufnimmt und entscheidet, ob ein Patient mitmachen kann oder nicht. Über jeden Teilnehmer gibt es ein Datenblatt, in dem die Werte kontinuierlich aufgezeichnet werden und auch die Krankengeschichte hinterlegt ist, was im Notfall überlebenswichtig sein könnte. „Wir mussten in den 30 Jahren zwar zwei- oder dreimal nach kleinen Sportunfällen den Notarzt holen, aber nicht wegen Herzgeschichten. Da haben wir bisher immer Glück gehabt, es ist noch nie etwas passiert,“ ist die Gruppenleiterin froh.
Annemarie Harder passt aber auch genau auf, hat jeden einzelnen in ihrer Gruppe im Blick, auch wenn die Turnhalle voll ist. „Man kann an Körperhaltung, Gesichtsfarbe und Physiognomie schnell erkennen, wie belastbar jemand ist. Unsere Patienten sind häufig wetterfühliger als früher, haben gute und weniger gute Tage. Aber die Gruppe achtet auch untereinander aufeinander, nimmt Rücksicht.“ Seit 25 Jahren wird die Gruppe vom Allgemeinmediziner Bernd Mayr aus Ichenhausen betreut, der, so freut sich die Trainerin, mit Begeisterung dabei sei und neben den Routineaufgaben immer auch Zeit habe für Tipps und persönliche Gespräche.
Der Sport ist wichtig für die körperliche Genesung der Patienten. Es ist keine kurzfristige Angelegenheit, sondern eine Einrichtung auf Dauer. „Die Krankenkasse zahlt mindestens zwei Jahre, 90 Einheiten, doch wer einmal dabei ist, bleibt in der Regel auch. Das entscheidet sich oft schon nach einer Schnupperstunde oder der ersten Trainingseinheit. Und wenn die Krankenkasse die Folgeeineinheiten nicht mehr bezahlen will, legen die Patienten aus eigener Tasche drauf. Wir haben einen Teilnehmer, der wie ich, seit der ersten Stunde dabei ist.“ Bei drei Euro für die Stunde, ist das durchaus machbar.
Wichtig ist auch das Miteinander
Annemarie Harder weiß aber auch, es ist nicht nur das körperliche Training, das den Mitgliedern der Koronarsportgruppe guttut. „Der psycho-soziale Effekt ist nicht zu unterschätzen. In der Sportgruppe kommen Menschen zusammen, die eine spezifische Erkrankung verbindet. Eine, die sie existenziell bedroht, die Dritte kaum nachvollziehen können. In der Gruppe erfahren sie, dass sie damit nicht alleine sind, dass auch andere plötzlich Dinge nicht mehr machen können, die früher selbstverständlich waren.“ Und das regelmäßige Miteinander über einen langen Zeitraum führt zu Bekanntschaften und Freundschaften.
Annemarie Harder hat ihr Angebot weit über die wöchentliche Übungsstunde hinaus ausgedehnt, will auch das gesellschaftliche Miteinander fördern. Ein eigener Verein mit familiärer Atmosphäre und rund 100 Mitgliedern teilt sich die Verwaltungsarbeit und bietet auch Treffen außerhalb der Sportstunden: Ausflüge stehen auf dem Programm ebenso wie Feiern und leichte Wanderungen. „Hier lernen sich auch die Familienmitglieder kennen. Das Angebot wird sehr gut angenommen, es soll auch kulturelle Impulse geben,“ führt sie aus.
Annemarie Harder und ihre Vereinsvorstandschaft arbeiten stets ein abwechslungsreiches Programm aus, bei dem es um Bewegung und Anregung geht. Hier muss Rücksicht auf die körperlichen Fähigkeiten der Teilnehmer genommen werden. „Wanderungen ja, aber höchstens Hügel, keine Berge, auch kalte Luft ist kontraproduktiv“, erläutert sie. Entsprechend werden die Ausflüge zusammengestellt und von Annemarie Harder geleitet. Dazu kommen die Geburtstagswünsche und die Weihnachtsfeier, bei der rund 80 der 100 Mitglieder dabei sind, Angebote und Gesten, die den Teilnehmern Wertschätzung und Anteilnahme entgegenbringen. Die Arbeit, der Zeitaufwand, der dahinter steht, zählen für Harder nicht.
Der Verwaltungsaufwand ist enorm
Allein die formalen Anforderungen für die Leitung einer Koronarsportgruppe sind enorm. Neben den Eignungsnachweisen und Fortbildungen sind es vor allem die Abrechnungen. „Für eine Sportstunde muss man ungefähr eine Stunde Verwaltung rechnen.“ Dennoch wird Annemarie Harder nicht müde, „ihre“ Herzchen mit Bewegung und Motivation auf gesundem Trapp zu halten. Ja, sie hat sogar eine zweite Einheit mit ins Leben gerufen. Auch in Diedorf ist sie Gründungsmitglied einer Herzsportgruppe und bis heute auch noch regelmäßig aktiv. „Ich wurde vom dortigen Kneippverein angesprochen und habe mich natürlich dem Ansinnen nicht verweigert.“ Nun bieten in Krumbach und Diedorf je zwei Gruppen Herzpatienten die Möglichkeit, regelmäßig ein Training zu absolvieren, das ganz speziell auf ihre körperlichen Bedürfnisse abgestimmt ist und darüber hinaus geeignet ist, eine neue Gemeinschaft zu finden.
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