Andris Nelsons dirigiert erstes Neujahrskonzert in Wien
Erstmals dirigiert Andris Nelsons das Wiener Neujahrskonzert. Der Lette inszeniert bravourös Klang und Raum – und den Sinn von Musik.
Wenn sich an diesem 1. Januar 2020 weltweit wieder mehr als 40 Millionen TV-Zuschauer in den Großen Saal des Wiener Musikvereins zum Neujahrskonzert einblenden, dann werden sich mehr als 80 Millionen Augen und Ohren auf einen konzentrieren, der zwar erstmals das Neujahrskonzert dirigiert, aber seit vielen Jahren schon zur absoluten Spitze der jüngeren weltweit gefragten Orchesterleiter zählt: Andris Nelsons. Mit nur 41 Jahren ist er sogar noch jünger als Yannick Nézet-Séguin in Philadelphia und Krill Petrenko bei den Berliner Philharmonikern – um mal kurz die Youngsters der absoluten Dirigentenspitze zu umreißen.
Natürlich war der gebürtige Lette Nelsons 2015 auch in der engsten Wahl für den Chef in Berlin gewesen – allein: Der damals 36-Jährige fühlte sich noch zu jung. Dabei hatte er schon zuvor enorme Anforderungen bravourös gemeistert: Gastdirigate bei den bedeutendsten Orchestern der Welt; das Bayreuth-Debüt mit dem sogenannten „Ratten“-Lohengrin 2010, als die Kritiker im Unisono frohlockten; 2013 der Chefdirigentenvertrag im 1a-Orchester von Boston, zu dem dann 2015 noch der Chefdirigentenvertrag am altehrwürdigen Leipziger Gewandhaus hinzukam. Nun pendelt Nelsons – etliche Jahre mit der lettischen Sopranistin Kristine Opolais verheiratet und seit 2019 erneut in festen Händen – zwischen Boston und Leipzig.
Andris Nelsons widmet sich auch dem "Jubeljahr Beethoven 2020"
Alte und neue musikalische Welt sollen dabei nicht geschieden sein: Nelsons sorgt für den gastweisen Austausch von Instrumentalisten beider Orchester – auf dass man gegenseitig künstlerisch profitiere. Mit dem Boston Symphony Orchestra nimmt Nelsons alle Schostakowitsch-Sinfonien auf, mit dem Gewandhaus-Orchester alle Bruckner-Sinfonien – und soeben, zum Jubeljahr Beethoven 2020, sind auch dessen Sinfonien mit den Wiener Philharmonikern unter Andris Nelsons erschienen. Der Mann ist einfach begehrt. Wer ihn live hört, der spürt schnell, dass er ein großartiger Inszenator von Klang, Raum und Sinn der Musik ist.
Beethoven ertönt nun aus nämlichen Anlass auch im Neujahrskonzert. Nein, nicht die großen, flammenden, freiheitsstrebenden Kompositionen „Fidelio“ und Neunte Sinfonie. Wien startet ja traditionell sorgenloser in die neue Runde. Auf dem beschwingten Programm steht eine Auswahl der „Zwölf Contretänze“, die Beethoven in der Hauptsache ja vor Ort, also in Wien, komponiert hatte.
Andris Nelsons beim Wiener Neujahrskonzert: Seine Eltern waren Chorleiter
Warum aber ist Nelsons so ein starker Dirigent? Es war allerbeste Förderung in seinem Geburtsort Riga. Die Mutter: Chorleiterin. Der Vater: Chorleiter. Der Bub: erst hervorragender Sänger, dann – nach dem Studium – hervorragender Trompeter der Lettischen Nationaloper, dann Chefdirigent der Lettischen Nationaloper, später Chefdirigent in Birmingham, geradezu ein Dirigentensprungbrett. Vor ihm: Simon Rattle. Aktuell: Mirga Grazinyte-Tyla. Die kommt auch noch nach Wien. Wetten?
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