Der „Missbrauch“ einer Familien-Tragödie als Oscar-Gewinner?
Der große deutsche Maler Gerhard Richter legt nach in seiner Kritik an Henckel von Donnersmarcks Kino-Epos „Werk ohne Autor“.
Nun also ist passiert, was die Mehrheit deutscher Filmkritiker eher nicht erwartet hatte, was gleichwohl aber bei der Gespanntheit vieler Amerikaner gegenüber der nationalsozialistischen deutschen Geschichte plus Nachkriegsteilung doch möglich war: Florian Henckel von Donnersmarcks Film „Werk ohne Autor“ ist, neben vier weiteren Kandidaten, für einen Auslands-Oscar (Vergabe: 24. Februar) nominiert worden – und dies, nachdem er bei den Golden Globes leer ausging.
Einer, dem das anscheinend gar nicht gefällt, ist Gerhard Richter, der große deutsche Maler, bald 87, auf dessen Biografie der Film zu einem guten Teil beruht – ohne dass sein Name fällt oder originale Bilder von ihm zu sehen sind. Schon bei der Kino-Ankündigung des Films im vergangenen Oktober meinte der Künstler zum Trailer: „reißerisch“. Nun aber hat er, offenbar nach Sichtung des ganzen Films, im US-Magazin The New Yorker in grundsätzlicher Weise nachgelegt. Auf eine Bitte um Schilderung der Wechselbeziehung Richter/Donnersmarck schrieb er: „Unglücklicherweise hat die Visualisierung aller Fakten so schlechte Gefühle hervorgerufen und meinen Widerwillen sowohl gegen den Film und die [verantwortliche] Person so stark zunehmen lassen, dass ich mich nicht in der Lage sehe, Ihnen eine Antwort zu geben.“
Und in einem nachfolgenden Schreiben erklärt Richter, der mehrfach ausführlich mit Donnersmarck im Vorfeld der Filmproduktion gesprochen hatte, dass er Donnersmarck schon sehr früh hat wissen lassen, dass er keinen Film über seine Person billigen werde. Stattdessen solle die Hauptperson der Geschichte kein Maler sein, sondern einen anderen – eventuell künstlerischen – Beruf ausüben. Richter wörtlich: „In Wirklichkeit tat er [Donnersmarck] alles, meinen Namen mit dem Film zu verknüpfen, und die Presse half ihm nach Kräften…“ Glücklicherweise aber hätten hernach die bedeutendsten Zeitungen Deutschlands das „Gebräu“ skeptisch und kritisch besprochen. Gleichwohl habe Donnersmarck es fertiggebracht, seine Biografie zu missbrauchen und zu verzerren.
In der Eskalation sieht Dietmar Elger, Richters autorisierter Biograf und Kurator an den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, eine Parallele zu den Folgen des 2005 erschienenen Buches „Ein Maler aus Deutschland. Gerhard Richter – das Drama einer Familie“. Darin hatte der Journalist Jürgen Schreiber die tragischen Hintergründe zu Richters Gemälde „Tante Marianne“ geschildert: Diese Tante des Malers war im Nationalsozialismus erst zwangsweise sterilisiert, dann ermordet worden – und Richter heiratete 1957 die Tochter Heinrich Eufingers, der als SS-Obersturmbannführer auch für die Zwangssterilisationen in Dresden verantwortlich war. Mutmaßlich ohne Wissen der Zusammenhänge hatte Richter sowohl Tante Marianne als auch Eufinger mehrfach porträtiert. Dietmar Elger nun sagt, dass Richter zunächst auch von den Recherchen Schreibers fasziniert gewesen war und mit ihm kooperierte – nach dem Erscheinen des Buches aber nicht glücklich war, weil aus der Familiengeschichte ein Krimi entstand. Elger: „Ich würde sagen, er machte zweimal denselben Fehler.“
Auf die Oscar-Nominierung konnte Richters Klage jetzt keinen Einfluss haben. Sie war erfolgt, nur noch nicht bekannt gegeben. Anders als in Deutschland gab es über Donnersmarcks dreistündiges „Werk ohne Autor“ in den USA geradezu euphorische Kritiken. Dort kam Donnersmarcks Plan eines Films an, der von Anfang an darauf angelegt war, dass sich ein Maler durch seine Kunst von einem (Familien-)Trauma befreit.
Die Diskussion ist geschlossen.