3000 Kilometer in drei Monaten: Vier Reiter werden während der documenta 14 die Strecke von Athen nach Kassel mit Pferden gemeinsam zurücklegen. Sie verbinden auf diese Weise die beiden Ausstellungsorte der Kunstausstellung miteinander – und zeichnen damit auch gleichzeitig eine der modernen Fluchtrouten quer durch Europa nach.
Die Idee stammt von dem schottischen Konzept-Künstler Ross Birrell (*1969). Sein documenta-Beitrag trägt den Titel „The Transit of Hermes“. Er nennt seine Idee „ein mobiles, partizipatorisches, menschlich-pferdeartiges, 100 Tage andauerndes Ensemble“, wie auf der documenta-Homepage angekündigt wird. Der Ritt beginnt am 9. April 2017, am Tag nach der Eröffnung der Weltkunstausstellung in Athen. Die Route führt durch Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien und Österreich nach Deutschland. Ankommen sollen die Reiter am 9. Juli, etwa einen Monat nach der Eröffnung der hunderttägigen documenta-Schau in Kassel.
Vier erfahrene Langstreckenreiter unternehmen die Tour im Namen der Kunst: der Norddeutsche David Wewetzer, der Schweizer Peter van der Gugten, der Ungar Zsolt Szabo und die 1962 geborene Tina Boche aus dem Landkreis Augsburg, die einen Reiter- und Fahrhof führt. Sie alle nutzen vier verschiedene Pferderassen: Criollo, Haflinger, Kabardiner, Karabagh. Begleitet werden sie laut Projektbeschreibung von einem Pferd der Rasse Arravani namens „Hermes“, benannt nach dem Götterboten aus der griechischen Mythologie. David Wewetzer, 52, hat sich für seinen Ritt Urlaub genommen. Er ist Mitglied der Weitreitergilde. Im Brotberuf arbeitet er an einem Informatik-Institut der Universität Bremen. In seiner Freizeit unternimmt er Langstrecken-Ritte, einmal zum Beispiel entlang des Grünen Bandes an der innerdeutschen Grenze. Der Athen-Kassel-Ritt sei „eine Once-in-a-lifetime-Chance“, erklärt er.
Zum Start der Aktion in gut zwei Wochen sollen insgesamt zwölf Reiter vom Fuße der Akropolis mit ihren Pferden über die Marmor-Fußwege der Athener Altstadt zum Parlament traben. Das hatte der Archäologische Rat in Athen schon im Februar verkündet. Zu den fünf Pferden des „Hermes“-Projekts kommen dabei laut Wewetzer noch sieben, schon in der Antike bekannte Skyros-Ponys.
Auf ihrem Weg durch Europa, unterstützt von der Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland, werden die Reiter von einem Dokumentarfilm-Team begleitet. Streckenweise sollen lokale Reiter-Teams die documenta-Botschafter begleiten. Über die künstlerische Aussage der Aktion darf sich Wewetzer nicht äußern, „das ist der documenta vorbehalten“.
Das Kunstprojekt wurde inspiriert durch einen Langstreckenritt von Südamerika nach Nordamerika: Zwischen 1925 und 1928 war der schweizerisch-argentinische Reiter Aimé Felix Tschiffely auf zwei Criollo-Pferden zwischen Buenos Aires und New York unterwegs, wobei er viele Migrationswege unserer Zeit vorausnahm. Er dokumentierte seinen Ritt in einem Buch, das 1933 erschien („Tschiffely’s Ride“). (dpa, AZ)