Filmemacher der Extreme
Jubiläum Ob Vulkane, Wüsten oder Kinski: Werner Herzog liebt Herausforderungen
Los Angeles Kurz nach seinem 75. Geburtstag könnte Werner Herzog eine weitere Film-Trophäe in Empfang nehmen. Seine Vulkan-Dokumentation „Into the Inferno“ ist am 5. Oktober im Rennen um einen Doku-Emmy in der Sparte Wissenschaft und Technologie. Auch für diesen Film wagte sich der deutsche Regisseur wieder in extreme Welten – diesmal an den Rand von Vulkanen. Seine gefährliche Odyssee führte ihn rund um den Globus, sogar dem schwer zugänglichen Nordkorea luchste er eine Drehgenehmigung ab.
Typisch für den Weltenbummler, der in entlegenen Ecken fesselnde Storys findet. Auch mit nunmehr 75 Jahren – an diesem Dienstag hat er Geburtstag – ist der umtriebige Filmemacher nicht zu stoppen. An seiner langjährigen Wahlheimat Los Angeles schätzt der gebürtige Münchner, der immer noch gerne Janker mit Hirschhornknöpfen trägt, die „enorme Intensität von kultureller und kreativer Energie“. Das Zupackende imponiert ihm: „Hier werden Dinge umgesetzt.“ Diesem Motto folgt er selbst mit unermüdlicher Energie – allein im vorigen Jahr brachte er zwei Filme auf die Leinwand. Beim Filmfest in Toronto feierte sein Öko-Thriller „Salt and Fire“ die Nordamerika-Premiere. Der Film mit Veronica Ferres in der weiblichen Hauptrolle wurde größtenteils am imposanten Uyuni-Salzsee im bolivianischen Hochland gedreht. Die Produktion verlangte Herzog und seinem Team einiges ab. „In großer Höhe zu filmen oder innerhalb von 40 Minuten vom Amazonas auf 4100 Meter hinaufzufliegen ist hart“, räumte der Regisseur ein.
Herzog porträtiert gern Menschen, Situationen und Landschaften der Extreme. Im Jahr zuvor inszenierte er Nicole Kidman als Wüstenforscherin Gertrude Bell bildgewaltig in „Königin der Wüste“. Starke Persönlichkeiten interessieren ihn schon seit langem. Er stritt und vertrug sich mit Klaus Kinski, dem exzentrischen Star gemeinsamer Filme in den 1970er und 1980er Jahren, darunter „Aguirre, der Zorn Gottes“, „Fitzcarraldo“, die Horror-Hommage „Nosferatu – Phantom der Nacht“ und die Büchner-Adaption „Woyzeck“. Über seine Hassliebe zu dem jähzornigen Schauspielgenie drehte Herzog 1999 den Dokumentarfilm „Mein liebster Feind“. „Es war, wie im Auge eines Tornados zu arbeiten, aber es hat sich immer gelohnt“, sagte der Regisseur einmal im Rückblick.
Das amerikanische Time-Magazin wählte Herzog 2009 unter die 100 einflussreichsten Personen der Welt. Im selben Jahr wurde seine Antarktis-Dokumentation „Encounters at the End of the World“ für einen Oscar nominiert. Von der Antarktis über eine Höhle in Südfrankreich („Die Höhle der vergessenen Träume“) begab sich Herzog für die Kino-Doku „Tod in Texas“ und die TV-Produktion „On Death Row“ in den Todestrakt von US-Gefängnissen, wo Insassen auf ihre Hinrichtung warten. „Das ist Material von einer Intensität, die ich nie bisher bei irgendeinem Film gehabt habe“, sagte Herzog. „Zeichen dafür, wie sehr das mich und den Cutter betroffen hat, ist, dass wir beide wieder zu rauchen anfingen.“
Der unter dem Namen Werner H. Stipetic als Sohn einer kroatischen Mutter und eines deutschen Vaters geborene Künstler wuchs in einem Bergdorf an der Grenze zu Österreich auf. Er studierte Geschichte und Literatur, das Filmhandwerk brachte er sich selbst bei. Mit 20 Jahren drehte er seinen ersten Kurzfilm. In „Herakles“ beobachtete er Bodybuilder, die vor der Kamera posieren. Vier Jahre später – beim Filmfestival in Berlin im Jahr 1968 – holte er mit „Lebenszeichen“ den Silbernen Bären für den besten Erstlingsfilm.
Der dreifache Vater ist in dritter Ehe mit einer Fotografin verheiratet. Er hat Bücher geschrieben, über ein Dutzend Opern inszeniert und über 60 Filme gedreht, das wird auf seiner Webseite akribisch aufgelistet. Dort verweist Werner Herzog auch auf seine „Schurkenfilmschule“, die er einmal im Jahr abhält. „Nichts für schwache Nerven“, warnt er Seminar-Interessenten. Was er unter anderem lehrt: Schlösser knacken, eine Dreherlaubnis fälschen, zu Fuß unterwegs sein, Guerilla-Taktiken. Barbara Munker, dpa/AZ
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