Mörderisch: Barbier und Bäckerin
Die Münchner Erstaufführung des Broadway-Erfolgs "Sweeney Todd" hat kein makabres Klischee ausgelassen, ja drehte die Gewaltspirale hoch bis zu einer finalen Blutorgie antiken Ausmaßes. Von Barbara Reitter
Die Bösen sind immer die Interessanten - nicht erst seit Shakespeares "Richard III". Das Publikums-Faible zeigt sich in Oper wie Film und Literatur. Wer lügt, betrügt und meuchelt, bekommt den Faszinations-Bonus.
Wer gar zum Mörder aus verlorener Ehre wird, dem verzeiht man alles - jedenfalls auf der Bühne, nicht im Leben. So könnte man auch die Handlung des Musical-Thrillers "Sweeney Todd" bilanzieren, einer makabren Story um einen Barbier, der sein scharfes Handwerk mit Eleganz betreibt - und selbst noch ökonomisch am Leichenberg profitiert.
Die Münchner Erstaufführung des Broadway-Erfolgs von Stephen Sondheim ließ denn auch kein makabres Klischee aus, ja drehte die Gewaltspirale hoch bis zu einer finalen Blutorgie antiken Ausmaßes. Applaus gab es für die Sänger-Darsteller, besonders Gary Martin in der Titelrolle, und sogar Ovationen für Marianne Larsen als teuflische Pastetenbäckerin. Buhs galten dagegen dem Regisseur Christian von Götz, der einige Damen durch seine Gruselästhetik so verschreckte, dass sie vorzeitig das Theater verlassen mussten.
Man könnte sich keinen härteren Kontrast vorstellen als Sondheims hoch differenzierte, symphonisch durchgearbeitete Komposition mit ihren ariosen Aufschwüngen, die allerdings die Musical-Erwartung auf weich gespülte Ohrwürmer verweigert, und dem plakativ überzeichneten Inszenierungs-Konzept. Doch Farben- und Klangreichtum machen dieses Manko wett, denn abwechslungsreich werden selbst kirchlicher Orgelklang mit Weill-Anklängen und altenglische Balladen integriert, wird die musikalische Moderne zitiert (schwungvoll dirigiert durch Andreas Kowalewitz).
Eine Kreuzung aus "Nosferatu" und "Rocky Horror Picture Show"
Was in der Londoner Fleet Street passiert, ist eine Kreuzung zwischen Fritz Langs "Nosferatu" und der "Rocky Horror Picture Show"- inhaltlich ein krudes Mordesspektakel, das optisch die sensationellsten Tableaus aus der Gothic-Welt zusammenstellt. Hinreißende Bühnenbild-Ideen (Karin Fritz) nutzen alle technischen Finessen des Hauses, das mit größtem Personalaufwand von Ballett und Chor die bizarre Story stemmt.
Allerdings sind weder Aufführung noch Vorlage stilistisch aus einem Guss.
In die Pause wird das Publikum noch mit einer komödiantischen Schlacht-Schau entlassen, bei der ein Opfer nach dem anderen vom Barbierstuhl in den Keller katapultiert wird, um dort zu feinen Pasteten verwurstet zu werden. Doch nach der Pause zerfasert das Ganze zwischen Irrenhaus und Hochzeitsfantasien, optischen Symbolismen und Psychologismen zum platten Melodram, bis Sweeney Todd sich selbst im Blutrausch auslöscht.
Wieder am 27. Februar sowie am 3. und 8. März
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