Ruhe auf der Flucht wird nicht gewährt
Wer nach drei Stunden Kabarett mit Andreas Rebers die Augsburger Komödie verließ, der fühlte sich regelrecht durchgeschüttelt wie nach einer geistigen Rüttelkur. Von Angela Bachmeier
Wer am späten Sonntagabend nach drei Stunden Kabarett mit Andreas Rebers die Augsburger Komödie verließ, der fühlte sich regelrecht durchgeschüttelt wie nach einer geistigen Rüttelkur, bei der rechte und linke Gehirnhälfte gehörig durcheinander kamen, bei der alle sonst so festgefügten Koordinaten der Weltsicht aus dem Lot gerieten, sodass man als erschöpfter Zuschauer gar nicht mehr wusste, wo einem der Kopf stand.
Das ist die Spezialität dieses philosophisch-musikalischen, dadaistisch angehauchten und mit vielerlei Auszeichnungen (zuletzt: Deutscher Kabarettpreis) belobigten Kabarettisten, dass er alles, was einem heilig ist, was als Recht und Unrecht, als Gut und Böse akzeptiert ist, in einem geistigen Schleudergang behandelt, in dem scheinbar akzeptierte Werte schrumpfen, knittern, ihre Form verlieren.
Adam und Eva waren die ersten Flüchtlinge
Islamisten und Ewiggestrige, Alleinerziehende, Behinderte und Bischöfe (ja, auch den Augsburger Walter Mixa) packt Rebers genauso mitleidlos an wie Politiker und all jene Migranten, denen er sein neues Programm "Auf der Flucht" widmet. Das beginnt im Paradies, aus dem Adam und Eva als erste Heimatlose der Menschheitsgeschichte vertrieben werden, und der biblische Hintergrund sorgt denn auch dafür, dass in diesem Programm anders als früher ab und an ein gewisser Predigt-Ton herrscht.
Der freilich kippt immer wieder ins schnoddrig Lapidare, wenn der 50-jährige "Unterhaltungskünstler" (so definiert sich Rebers selber) das ganze Elend des Menschen und damit auch die aktuelle Lage der Nation im Vierzeiler zusammenfasst: "Was er hat, das reicht ihm nicht. Schwupps hat er eine Krise." Überhaupt bietet all das Betroffenheitsgerede - sei es nun zur Krise oder über Flüchtlinge - dem Kabarettisten mit den flatternden Schnittlauchlocken jede Menge Steilvorlagen, die er leichtfüßig, leichthändig, leichtmäulig nimmt und dabei halsbrecherische Scharaden veranstaltet. Mit der afrikanischen Flüchtlings-Putzfrau unternimmt der zugereiste Münchner Neureiche (die bevorzugte Bühnen-Identität des gebürtigen Niedersachsen) aberwitzige Klettertouren in der Küche - herrlicher Nonsense!
Bei aller atemberaubend kopfverdrehenden Eloquenz ist Andreas Rebers auch ein fantastischer Musiker, den man gern noch öfter an Keyboard und Akkordeon sähe. Die poetische Hommage an Brecht, Degenhardt und Biermann, mit der Rebers seinen Standort aufseiten der "kleinen Leute" bekräftigt, bringt denn auch das durcheinander geschüttelte Gehirn ein wenig zur Ruhe.
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