Savages: Das Ende vom Traum
Oliver Stone überrollt mal wieder sein Publikum, diesmal mit einer wilden und höchst gewalttätigen Geschichte aus dem Milieu der Drogenmafia
Mindestens einmal schon gelang Oliver Stone ein Film, der einem die Füße unter der Realität wegreißt. „Savages“ wiederholt nun den Effekt von „Natural Born Killers“: Man kommt aus dem Kino und alles ist anders ...
Gangster- und Drogengeschichte
„Savages“ ist eine Gangster- und Drogen-Geschichte, aber keine wie die sonst üblichen. Das fängt bei den beiden Bossen an: Sympathische, junge Kerle sind Ben (Aaron Johnson) und Chon (Taylor Kitsch), die Ben & Jerry’s des kalifornischen Marihuana-Verkaufs. Ihre Rauschgiftsorte ist durch raffinierten Anbau so geschmack- und wirkungsvoll, ihre Organisation im Stile der Internetgeneration so dezentralisiert, dass man sie auch als die Steve Jobs und Bill Gates der Rausch-Industrie bezeichnen könnte. Zwischen ihnen steht, oder besser liegt Ophelia (Blake Lively), genannt O. Ein reizendes, fast paradiesisches Jules-und-Jim-Verhältnis pflegen diese drei – bis ein mexikanisches Drogenkartell per Email ein übles Massaker-Video schickt als Einladung zum Geschäftsgespräch.
John Travolta als korrupter Polizist
Die Reaktionen bei den Empfängern sind kontrovers. Der Irak- und Afghanistan-Veteran Chon will direkt und gnadenlos zurückschlagen. Der Biologe und Philosoph Ben macht hingegen auf Buddha und findet, es sei sowieso Zeit auszusteigen. 24 Stunden Bedenkzeit sind jedoch viel zu lang: Die eiskalte mexikanische Mafia-Patin Elena (Salma Hayek mit Kleopatra-Frisur) erkennt O als verwundbare Stelle der Gegner und entführt die verwöhnte Drogenabhängige. In der Hand des ultrafiesen Lado (Benicio Del Toro) ist diese Gefangenschaft schon beim Zusehen schwer zu ertragen. Mit erzwungener Hilfe des korrupten Drogenpolizisten Dennis (John Travolta) entdecken Ben und Chon jedoch ihrerseits den schwachen Punkt von Elena und liefern ihr außerdem einen vermeintlichen Verräter aus dem innersten Kreis. Dessen höchst brutale Hinrichtung ist der nächste Schritt in einer Konfrontation, die nur im Massaker enden kann.
Freigeben? Unbedingt!
Etwas schade ist, dass der Film im steigerungslosen Finale eine Überraschung vorenthält. Aber ansonsten rollt Oliver Stone wieder einmal mächtig über sein Publikum hinweg, macht es regelrecht platt. Nicht, weil der Regisseur ein Schwätzer mit Worten und Bildern wäre. Sein „JFK“ war so eine unvergleichlich ermüdende Rede- und Montageschlacht. Nach dem historischen „Alexander“ porträtierte er mit Castro und Chavez die politischen Visionäre von gestern und heute. Nun erzählt er überall, dass es eine Menge Gangster arbeitslos mache und jährlich tausende Menschen retten würde, wenn Marihuana nicht mehr illegal wäre.
Bild-, Musik- und Textgewalt
In „Savages“ (englisch für „Die Wilden“) lässt Stone aus Ben und Chon zwei skrupellose Killer werden. Dabei wollte der eine sein Geld eigentlich in Sonnenkollektoren und 14-Dollar-Computern für afrikanische Kids investieren. Problematisch, dass Stone dies genügt als Argument fürs „Legalize it!“.
Beeindruckend dagegen die enorme Bild-, Musik- und Text-Gewalt des Films, der nach der Romanvorlage „Zeit des Zorns“ von Don Winslow entstand. Dazu in genial schräg besetzten Rollen Selma Hayek, Benicio Del Toro und John Travolta als Höllenreiter der Cocakalypse. Das überfährt einen mehr, als dass es stichhaltig überzeugt. Man weiß eigentlich nicht, was man gesehen hat – nur, dass es gewaltig war.
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