Von Null auf Hundert: Nora Fingscheidt gelingt der Durchbruch
Nora Fingscheidt war lange – wenn überhaupt – für Kurzfilme und Dokus bekannt. Mit "Systemsprenger" erhält sie jetzt sogar international Aufmerksamkeit.
Für Nora Fingscheidt könnte das, was in den vergangenen Wochen passiert ist, der Durchbruch sein. Eben noch kannten ihren Namen nur echte Branchenkenner. Doch in ebendiesen Wochen fand sich die 36-jährige Regisseurin plötzlich in einer Vielzahl deutscher TV-Shows und Tageszeitungen wieder.
Nora Fingscheidts Film "Systemsprenger" geht ins Rennen um einen Oscar
Die Aufmerksamkeit für ihren neuen Film ist enorm. Denn „Systemsprenger“, der in dieser Woche in die Kinos kommt, wird schon vor Erscheinen mit Preisen überschüttet – und geht sogar als Kandidat um einen Oscar ins Rennen.
Im Film porträtiert die Regisseurin ein neunjähriges Mädchen namens Benni. Sie gilt als hochaggressiv und unberechenbar. Sonderschule, Pflegefamilien, Wohngruppen: Nirgends hält sie es lange aus. Ein Ausraster folgt auf den nächsten. Und so droht das Mädchen durch alle Raster der deutschen Kinder- und Jugendhilfe zu fallen. Eigentlich wünscht sich Benni nur, wieder daheim bei ihrer Mutter leben zu dürfen. Die allerdings ist überfordert, hat sogar Angst vor dem eigenen Kind.
Für Fingscheidt, die neben der Regie auch das Drehbuch schrieb und für dieses mehrfach ausgezeichnet wurde, ist „Systemsprenger“ der erste Langfilm ihrer Karriere. Davor wies ihr Portfolio lediglich Dokus und Kurzfilme auf, der bekannteste dürfte „Synkope“ aus dem Jahr 2010 sein. Umso bemerkenswerter ist da, dass die Regisseurin für ihr Filmdebüt bei der diesjährigen Berlinale gleich den Silbernen Bären für neue Perspektiven der Filmkunst erhielt – und kürzlich sogar als deutscher Beitrag für die Auslandsoscars ausgewählt wurde.
Wie Nora Fingscheidt für das Drehbuch von "Systemsprenger" recherchiert hat
Fingscheidt wollte schon als Kind Filme machen – auch wenn in ihrer Familie „keiner einen künstlerischen Beruf“ habe. Also ging sie nach dem Abitur nach Berlin und schnupperte in eine Handvoll Studiengänge hinein, ohne auch nur einen davon ansatzweise zu beenden. Parallel dazu verwirklichte Fingscheidt erste kleinere Projekte und beteiligte sich am Aufbau der selbstorganisierten Filmschule „Filmarche“. 2008 folgte das Studium der Szenischen Regie.
„Systemsprenger“ ist ihr bisher größter Film. Allein fünf Jahre dauerte die Recherche. In verschiedenen Einrichtungen der Jugendhilfe und in Psychiatrien sprach Fingscheidt mit Mitarbeitern und Kindern, arbeitete teilweise sogar selbst mit. Was sie dort sah, ging ihr nahe. Sie selbst sagt, sie habe irgendwann die Distanz zum Thema verloren, überall „nur noch Fälle von Kindesmisshandlung“ gesehen.
Also legte sie das Projekt vorerst auf Eis, auch weil sie selbst ein Kind hat. Die Erlebnisse aus der Recherchezeit finden sich später im Drehbuch. „Ausgedacht sind die allerwenigsten Sachen in diesem Film“, sagt sie in einem Interview.
Ihr nächstes Filmprojekt hat die Regisseurin bereits gefunden. Was das sein wird, hat sie allerdings noch nicht verraten. Sicher ist: Die Aufmerksamkeit für ihre künftigen Projekte wird groß sein.
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