Brechts "Mann ist Mann" als Bühnen-Comic
Kann man Bertolt Brechts im Militärmilieu angesiedeltes Lustspiel "Mann ist Mann", als überdreht-grotesken Theater-Comic auf die Bühne bringen? Eine Kritik von Michael Schreiner
Kann man Bertolt Brechts im Militärmilieu angesiedeltes Lustspiel "Mann ist Mann", das von der nicht ganz freiwilligen Verwandlung eines harmlosen Zivilisten in eine "Kriegsmaschine" handelt, als überdreht-grotesken Theater-Comic auf die Bühne bringen und gleichzeitig auch von Verführbarkeit, Verschlagenheit, Erniedrigung und Menschenverachtung erzählen? Ja, man kann.
Ist das Soldatische lächerlich und mörderisch zugleich? Ja, das ist es. Kann Theater in einem aufblasbaren Kinderplanschbecken Tiefe haben? Ja, es kann.
In Augsburg jedenfalls ist Brecht im quietschbunten Gewand der Klamotte nicht erstickt und nicht verkümmert. Im Gegenteil: Diese Inszenierung, eine wohlkalkulierte Mischung aus Schlagerrevue, Ulk, Slapstick und absurdem Theater, ist ein starkes Lebenszeichen geworden. Schauspielchef Markus Trabusch (der die Regie von Frejo Mayer übernahm), hat mit einem aufgedrehten Ensemble das Komische und Groteske, das Brecht seinem 1926 uraufgeführten Stück einschrieb, nach außen gestülpt und munter, ja hinreißend ausgeschlachtet, ohne die Inhalte des Lehrstücks zu ignorieren. Also: Wie Gruppendruck das Individuum formt und umformt, wie Geschäftemacherei die Basis menschlichen Umgangs bildet, wie Machtausübung funktioniert, wie austauschbar der Einzelne in einer Kanonenfutter-Gesellschaft ist. Im Industriehallenambiente der Ausweichspielstätte Dierig ist ein Brecht von zeitloser Standfestigkeit zu erleben: mit starkem Spielbein und ohne Hilfskrücken bemühter Aktualisierung.
Ein Karton, ein blaues Kinderplanschbecken, ein Kühlschrank, eine Sackkarre, Holzpaletten: Wenige wunderbar wandelbare Requisiten, die aus einer Arte-povera-Ausstellung entlehnt sein könnten, genügen, um das Stück über zwei Stunden virtuos in Gang zu halten (Bühne: Volker Thiele). Die Liveband um Adrian Sieber liefert dazu nicht nur Musik für die Songs ("Mann ist Mann und darauf kommt's an"), sondern begleitet, trägt und treibt das Spiel voran: mal mit dahinplätschernder Fahrstuhlmusik, mal mit dynamischem Sound.
Die drei englischen Soldaten Uria (Klaus Müller), Jesse (Michael Stange) und Polly (Anton Koelbl), die im Indien des Jahres 1925 einen brauchen, der unauffällig den Platz und die Identität ihres "verhinderten" Kameraden Jeraiah Jip (Toomas Täht) übernimmt, stecken in dottergelben Trainingsanzügen und tragen graue Filzhelme auf dem Kopf (Kostüme: Nicole von Graevenitz). Eine Truppe von Tölpeln und Knallchargen ist das, die in Sprechblasen reden, Grimassen schneiden und an die doofen Römer in Asterix-Heften erinnern - Schießbudenfiguren also, einerseits.
Doch in ihrer instinktsicheren Verschlagenheit und fast dämonischen Freude, in der sie ihre Beute, den Packer Galy Gay (Tjark Bernau), finden, umkreisen und umständlich, aber unaufhaltsam zur Strecke bringen, zeigen diese Männer eine andere Seite. Mit der selben Kanone, mit der sie in den Krieg ziehen, rauben sie Tempel aus. Überzeugungstäter sind das nicht, eher geschmeidige Opportunisten.
Ihr Vorgesetzter, der Sergant Fairchild (Eberhard Peiker), ist ein alter Komisskopf, der einerseits gefürchtet ist, andererseits aber mit seiner Lüsternheit ringt wie mit einem unberechenbaren Feind, den er am Ende nur mit einem gezielten Schuss zwischen die Lenden besiegen kann. Den Spitznamen "Blody Five" hat sich dieser Mann übrigens verdient, weil er fünf wehrlose, an den Händen gefesselte Gefangene durch Kopfschüsse getötet hat.
Brechts Konzept der Verfremdung und Brechung der Bühnen-Illusion wird ausgiebig in Szene gesetzt. Darsteller übertreiben und moderieren, treten aus ihrer Rolle, werfen sich in Standbild-Posen. Die Revue, in der sich die Wirtin Begbick (Ute Fiedler) als Frau unter Knetmasse-Männern überlegen und raffiniert behauptet, steuert auf finalen Kanonendonner zu: Aus dem Packer Galy Gay, dem Softie im hellblauen Zottelpullover, ist ein Kriegsheld geworden. Er hat Geschmack gefunden an seiner "Ummodelierung" - und beherrscht nun die, die ihn doch eigentlich zu ihrem Instrument machen wollten.
Marsch! Ab ins Theater. Michael Schreiner
Nächste Vorstellungen am 9., 11., 25. Februar, 4., 12., 13., 17, 19. März
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