Reich-Ranicki war der Volkstribun unter den Kritikern
Plus Mehr als 30 Jahre war Uwe Wittstock dem Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki eng verbunden. Ein Gespräch über die Begegnung mit einem außergewöhnlichen Menschen.
Herr Wittstock, am 2. Juni 2020 jährt sich der Geburtstag Marcel Reich-Ranickis zum 100. Mal. Wie haben Sie Marcel Reich-Ranicki persönlich kennengelernt?
Uwe Wittstock: Ich war damals 24, Student der Germanistik, und habe mich bei ihm als Redakteur beworben. Er hat mich sehr genau ausgefragt, was ich denn gelesen hätte, zum Beispiel von Heinrich von Kleist. Ich antwortete vollmundig: alles. Das stimmte aber nicht, und prompt hat er nach dem Stück „Käthchen von Heilbronn“ gefragt, das ich nicht kannte. Ich tat so, als hätte ich den Inhalt kurzfristig vergessen, aber er hat mir nicht geglaubt, sondern mich ermahnt, ehrlich zu antworten. Engagiert hat er mich trotzdem, weil ihm die Probeartikel gefielen, die ich für ihn schrieb. Die Pointe an der Geschichte ist für mich: Als Reich-Ranicki 1944 den Holocaust überlebt hatte, war er 24 Jahre alt, so alt wie ich bei unserem Einstellungsgespräch. Er hatte da schon fünf Jahre tägliche Todesgefahr hinter sich. Er hätte sich damals nie so viel Leichtfertigkeit leisten können, wie ich im ersten Gespräch mit ihm. In solchen Momenten merkt man, was für eine glückliche Jugend man gehabt hat
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