Wo Medicus die Liebste wiederfindet
Der Bestseller als Musical in München
Wie eine Schlange krümmt sich der Weg über die Landkarte. Vom Londoner Armenviertel über die Herberge im bulgarischen Gebirge bis ins persische Isfahan. Die rote Linie markiert die bewegte und bewegende Odyssee des einstigen Waisenjungen und Badergesellen Rob Cole, der im Reich von „2001 und eine Nacht“ zum „Medicus“ ausgebildet werden will. Wie ein mythischer Held überwindet er alle Fährnisse, trotzt Schneesturm und Wüstensand, stellt sich religiösen Fanatikern ebenso in den Weg wie Feinden der Wissenschaft – um Liebe und Erfolg zu finden.
Ein mittelalterliches Märchen aus der Feder des Amerikaners Noah Gordon, das jetzt in einer Musical-Bearbeitung des 80er-Jahre-Weltbestsellers als Gastspiel aus Fulda im Deutschen Theater München zu sehen und zu hören ist – und zwar wie made in Hollywood. Das heißt: starke Emotionen, Nervenkitzel, Situationskomik – und bis heute virulente Konflikte des Nahen Ostens zwischen Glauben und Fortschritt, Menschlichkeit und Krieg.
Für die Adaption wurden die wichtigsten Stationen und Charaktere geschickt aus dem umfangreichen Roman gefiltert und holzschnitthaft zusammengefügt, sodass sich die mehr als dreistündige Aufführung zu einem schön ausgepinselten Historienpanorama in Breitwandformat entfaltet. Der Held (Patrick Stanke), nach abenteuerlichen Erlebnissen in den schottischen Highlands angekommen, erzählt seinem Sohn von vergangenen Abenteuern. Und dann erstehen die Bilder, großartige Tableaus, farbstark, detailfreudig, mit bewegten Massenszenen, abwechslungsreichen Choreografien und innigen Zweiersituationen. Das ließ jetzt zur Premiere keinen Besucher kalt – auch wenn so manche Szene hart an der Kitsch-Grenze entlangschlingert. Standing Ovations.
Von Akt zu Akt steigert sich die Opulenz der Bühnenbilder; während Rob Coles Jugendzeit in England noch in Düsternis und Armen-Schick spielt, wird in der Berghütte unterhalb eines Passes, der wegen Schneemassen nicht überquert werden kann, schon ein kleines Feuerwerk an Tanz und Gesang, an Kostüm-Folklore und ethnischem Völkergemisch aufgerollt. Die optischen Highlights aber bietet Isfahan, wo Bilder der Dekadenz über die üppig mit Perserteppichen und halb nackten Tänzerinnen dekorierten Szenen rauschen, wo heimlich an Leichen geforscht wird, bis die Pest in die Stadt kommt und der Medicus unter gefangenen Sklavinnen seine schottische Liebste wiederfindet...
Zwar bietet die durchkomponierte Musik keine Ohrwürmer, doch gibt es immer wieder angenehme Melodien mit stimmigen Texten. Sie nimmt Elemente der jeweils gezeigten Kulturen geschickt auf, vom Volks- über den Bauchtanz bis zum jüdischen Gebet – munter gespielt von den Kölner Symphonikern.
bis 25. November
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