Chronist des Krieges: Serhij Zhadan erhält den Friedenspreis des Buchhandels
Serhij Zhadan ist Schriftsteller, Musiker, Mutmacher und Aktivist. In Frankfurt wird der Ukrainer nun auch für mehr als sein Werk geehrt.
„Es bleibt von der Nacht der dunkle Himmel. Der Krieg geht weiter, die Kinder wachsen.“ Worte des ukrainischen Schriftstellers Serhij Zhadan, der an diesem Wochenende in Frankfurt den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhält.
Was aber ist das für ein Erzähler, der da so wortgewaltig und lyrisch vom Krieg schreibt, von der Zerstörung, vom Vernichten, vom Alltag im Krieg und vom Überleben? Zhadan, geboren 1974, auch schon als der ukrainische Rimbaud bezeichnet, hat mittlerweile so etwas wie den Rang eines Nationaldichters.
Serhij Zhadan ist Erzähler, Aktivist und Punkmusiker zugleich
Das liegt natürlich an seinen Werken, an seinen Gedichtbänden und herausragenden Romanen wie zum Beispiel „Mesopotamien“, eine Art Liebeserklärung an seine Heimatstadt Charkiw, oder an seinem 2017 erschienenen Buch „Internat“, in dem er einen Lehrer zwischen die Kriegsfronten im Donbass schickt. Aber verehrt und gefeiert wird Zhadan auch als Punkmusiker, als Essayist, als Chronist des Krieges in seinen öffentlichen Posts auf Facebook und Twitter und als unermüdlicher Aktivist und Mutmacher.
Seit Beginn des Krieges sammelt, organisiert und verteilt Zhadan Geld, Autos, Lebensmittel, Hygieneartikel, Werkzeug, alles, was an der Front gebraucht wird oder in den Wohnungen und Häusern in Charkiw. Er spielt mit seiner Band „Hunde im Weltall“ in der Metro vor Schutzsuchenden, in Krankenhäusern, bei den Soldatinnen und Soldaten. Die Jury des Friedenspreises ehrt ihn daher nicht nur für sein literarisches Werk, sondern ausdrücklich auch für seine humanitäre Hilfe im russischen Angriffskrieg. Der Preis also auch ein Symbol, von Zhadan so verstanden. Er sei dankbar für die Aufmerksamkeit, die der Preis schaffe – „nicht für mich, sondern für die Ukraine“.
Drastischer, radikaler: Serhij Zhadan schlägt andere Töne an
Sein Ton aber ist ein anderer geworden. Drastischer, pathetischer, radikaler, auch verstörender, nachzulesen im eben erschienenen Buch „Himmel über Charkiw“, darin gesammelt seine Posts. Über das Kriegsverbrechen von Kramatorsk schreibt Serhij Zhadan, der sich mittlerweile eine Kosakenfrisur zugelegt hat, mit den Worten: „Die russischen Soldaten haben weder Gewissen noch Ehre. Abschaum, einfach Abschaum.“
Der Krieg sei ein Vernichtungskrieg, sagt Zhadan, und er ändere das Vokabular. Seine Rolle als Schriftsteller? "Wenn die Kultur schweigt, wenn die Schriftsteller schweigen, wenn die Dichter schweigen, dann bedeutet das, dass die Angst gewonnen hat.“ Dagegen schreibt er an.
Die Diskussion ist geschlossen.