Das Ritterturnier verzaubert und entführt in eine andere Zeit
Beim Kaltenberger Ritterturnier ist von der C-Pandemie (fast) nichts mehr zu spüren. Selbst der Hausherr wählt seine Worte entsprechend.
Zwei Sommer lang war es pandemiebedingt still geblieben auf dem Gelände von Schloss Kaltenberg über dem Paartal. Als am Wochenende zum ersten Mal nach drei Jahren das Ritterturnier wieder begann, erinnerte kaum noch etwas an die für die Kaltenberg-Fans tristen Jahre. Auch Luitpold Prinz von Bayern, der am Samstag mit einem kurzen Ritt durch die Arena eröffnete, umschiffte das C-Wort. Er sprach davon, dass man nun endlich, nach „Pest und Cholera“ wieder ein Turnier abhalten könne.
Wie bei anderen beliebten Veranstaltungen herrsche auch beim Ritterturnier großer Nachholbedarf beim Publikum, wie die viel beschäftigte Verkäuferin am Stand für Kinderhelme, -schwerter und -schilde am zentralen Platz sagt.
Man nimmt stärker wahr, wie eng es auf Großveranstaltungen zugehen kann
Auch sonst entsteht der Eindruck, dass die Kaltenberg-Fans sehnsüchtig auf ihr Event gewartet haben. Dass es früher einen so großen Stau bei der Ticket-Kontrolle gegeben hat, ist einem jedenfalls nicht erinnerlich. Schulter an Schulter stehen die Menschen in der nachmittäglichen Juli-Hitze an, die noch vor ein paar Wochen an den Supermarktregalen auf Abstand geachtet und vorschriftsmäßig Masken getragen hatten. Ein paar Maskenträger – ihr Anteil liegt im Promillebereich – finden sich aber. Trifft da jemand für sich eine andere Risikoabschätzung wie die übrigen mehr als 99 Prozent? Der Eindruck täuscht, es geht eher um den Schutz anderer: „Wir waren erst vor Kurzem noch positiv“, erklärt eine Besucherin aus München, warum sie und ihre Familie FFP2-Maske tragen. Ansonsten ist alles wie immer – der Unterschied ist vielleicht nur, dass man stärker wahrnimmt, wie eng es auf Veranstaltungen zugehen kann, ein Umstand, an den man sich nach mehr als zwei Jahren erst allmählich wieder gewöhnt.
Ein Ritterturnier mit Pandemie-Einschränkungen war nie ernsthaft ein Thema, das Ungestüme und Unbeschwerte sowie die Menge an Menschen machen die Kaltenberg-Atmosphäre auch aus. Aber solche Reflexionen verlieren sich bei einer köstlich frischen Mass Bier und einer Brotzeit unter schattenspendenden Bäumen, während der Umzug über das Gelände zieht: Grimmige Ritter mit allerlei todbringenden Gerätschaften, elegant winkende Bürgersleute, Bauersleute in groben Gewändern mit Gabeln und Rechen, Stelzengängerinnen, Gaukler und Musikanten, Landsknechte mit schwingenden Fahnen und Frauen, die mit dem aus ihren Eimern geschöpften Wasser das Publikum etwas erfrischen – alle scheinen wieder da zu sein, ohne dass irgendwas war.
Ritterturnier: Das Mittelalter kennt auch Entbehrungen
Links von der Schlossstraße etwa finden wir den Fell- und Messerstand wieder, von dem vor Jahren schon mal ein weiches Kaninchenfell den Weg ins eigene Heim gefunden hat. Dieses Mal soll es ein großes Rentierfell sein. Die kuscheligen und wärmenden Felle lassen einen dann doch an die Energiekrise denken, die Corona schon längst in den Hintergrund geschoben hat. Doch der Standbetreiber sieht sich an diesem heißen Abend mit seinen Fellen noch nicht als Krisengewinner. Aber der Winter komme gewiss und wer weiß, was im Herbst auf den Märkten gefragt sei. Aktuell wollen es sich die Menschen anderweitig gut gehen lassen, wie die Schlangen an den Essens- und Getränkeständen zeigen. Da ist beim Anstehen am ehesten zu spüren, dass das Mittelalter mitunter auch eine entbehrungsreiche Zeit war.
Am Abend ertönen die Fanfaren in der Arena. Auf den Sinnesrausch vom Marktgelände folgt jetzt das Turnier. „Der Feldherr des Königs“ heißt die Show, in der der ewige Kampf zwischen Gut und Böse in Gestalt des Königssohns Sewalt und des Feldherrn Egmund kulminiert. „Lasst euch verzaubern, lasst euch entführen in eine Zeit hinter der Zeit“, sagt Sprecher Johannes Steck. Genau das ist wieder geschehen bei dem Schloss über dem Paartal – in jeglicher Hinsicht. Das Ritterturnier geht weiter bis 31. Juli, jeweils freitags, samstags und sonntags.
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