Die Seele reisefertig halten
Landkreis Unterallgäu Sicherheit gibt es nicht in diesem Leben. Auch wenn wir uns das gerne einbilden. Wir glauben, wir könnten uns gegen alles absichern, was an Gefahren droht: Wir bauen Häuser und Zäune, schließen Verträge, sparen Geld, versuchen gesund zu leben, schließen Versicherungen gegen alles und jedes ab.
Wenn alles nach Plan läuft, klopfen wir uns auf die Schulter und sind überzeugt, dass das unserer eigenen Cleverness und Weitsicht zu verdanken ist. Obwohl es nur glückliche Zufälle sind, wenn Menschen von Chaos, Leid und Unglück verschont bleiben.
Die einzige Gewissheit, die wir haben: Am Ende stehen Sterben und Tod. Und genau diese Gewissheit möchten wir am liebsten ausblenden. Wieso jetzt dran denken? Wir stehen doch mitten im Leben! Was soll das deprimierende Gerede übers Sterben! Da ist doch noch lang hin ...
Montaigne sagt: "Es ist ungewiss, wo uns der Tod erwartet. Erwarten wir ihn überall!" Seneca rät dazu, "die Seele reisefertig" zu halten. Und von dem Dichter Rainer Maria Rilke stammen die Zeilen: "Der Tod ist groß./ Wir sind die Seinen/ lachenden Munds./ Wenn wir uns mitten im Leben meinen/ wagt er zu weinen/ mitten in uns." Die Dichter und Philosophen wissen: Leben heißt Sterben lernen. Sich mit dem Gedanken an den Tod auseinander setzen, hat nichts Morbides, sondern gehört zu jedem bewussten Leben.
Das Bewusstsein unserer Sterblichkeit unterscheidet uns von den Tieren und ist ein Geschenk. Je intensiver wir uns damit vertraut machen, desto eher verliert der Tod seinen Schrecken.
Wenn jetzt, im November, wo auch das Jahr sich zum Sterben anschickt, die Menschen wieder auf die Friedhöfe gehen und den Vorangegangenen die Ehre erweisen, dann ist das ein guter Zeitpunkt zum Nachdenken über die eigene Sterblichkeit. Nicht mit Angst und Grauen, sondern in dem Bewusstsein, dass jedes Ende den Keim zu einem neuen Anfang in sich trägt.
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