Ohrenbetäubend in die Karwoche
Wenn ab dem Gründonnerstag die Kirchenglocken schweigen, ziehen Ministranten mit Rätschen lautstark durch die Gemeinde. Mit der Aktion sammeln sie für den guten Zweck
Es klingt, als würden die hölzernen Hammer direkt auf den Kopf schlagen, ein ohrenbetäubender Lärm übertönt jedes noch so laute Geräusch rund um die Pfaffenhofer Pfarrkirche St. Martin.
Kein Wunder, denn die wahrscheinlich größte Rätsche der Welt steht gegenüber vor dem Rathaus. Das behauptet jedenfalls Pfarrer Reinfried Rimmel. Etwa so groß wie ein Handballtor ist das Instrument. Bürgermeister Josef Walz, der es sich nicht nehmen ließ, auch einmal die Kurbel der Rätsche im XXL-Format zu bedienen, wischt sich den Schweiß von der Stirn: „Ganz schön anstrengend“, sagt er und hat dabei wegen des Lärms ein spitzbübisches Grinsen im Gesicht. Doch eigentlich ist der Krawall die Arbeit der Ministranten, die ab Gründonnerstag durch die Gemeinden ziehen, um auf die Gottesdienste aufmerksam zu machen. Mit den Rätschen übernehmen sie die Funktion der Kirchenglocken, die am Karfreitag und Karsamstag verstummen.
Um ganz sicher zu gehen, dass sie nicht überhört werden, hat sich Michael Mayer zwei Tage in die Werkstatt seines Vaters gestellt und gleich sechs der hölzernen Krachmacher geschreinert. Eine detailgenaue Bauanleitung hätte er zwar aus dem Internet heruntergeladen, doch sei die Feinabstimmung noch eine ziemliche Tüftelei gewesen, sagt der 14-Jährige. Auch wenn ihn die Konstruktion einige Nerven gekostet habe, seien die Rätschen rechtzeitig zum Auftakt fertig geworden, sagt er.
Der diözesanweite Startschuss für die Rätschenaktion kommt in diesem Jahr aus der Pfaffenhofer Pfarrgemeinde St. Martin. Die aktive Jugendarbeit in der Pfarrei sei unter anderem ein Grund dafür gewesen, sagt der Abteilungsleiter für kirchliches Leben im Bistum Augsburg, Pfarrer Ulrich Lindl. „Das lautstarke Klopfen der Rätschen soll an die Hammerschläge erinnern, mit denen Jesus Christus ans Kreuz genagelt wurde.“ Man wolle die Menschen damit aufwecken, sagt der Pfarrer – und denkt dabei nicht nur daran, sich an den Feiertagen aus dem Bett zu erheben. Für Lindl ist wichtiger, dass durch die Aktion auf die Menschen aufmerksam gemacht wird, die in den Krisengebieten der Welt durch Hunger, Gewalt und Naturkatastrophen ihren Frieden und ihre Würde verloren hätten.
Um dort helfen zu können, sammeln die Ministranten, die mit ihren Rätschen von Haus zu Haus ziehen, Spenden für die Aktion Hoffnung. Die zwölfjährige Elisa Fuchs aus Beuren hat schon einige Jahre Erfahrung mit der Sammelaktion wie sie sagt: „Immer wieder kommt es vor, dass Menschen selbst den lautesten Krach der Rätschen vor ihrer Türe überhören und nicht aufmachen.“ Doch die meisten würden etwas spenden, sagt sie.
Schwerpunkt der Aktion ist in diesem Jahr ein Schulprojekt des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes für syrische Flüchtlingskinder im Libanon. Rund 1300 Kinder im Alter von sieben bis 15 Jahren werden derzeit in Bourj Hammoud, östlich von Beirut, unterrichtet. Neben Lesen, Schreiben und Rechnen haben die Buben und Mädchen auch das Fach Friedenserziehung auf dem Stundenplan, erklärt Pfarrer Ulrich Lindl: „Die Kinder in Kriegsgebieten mussten oft die Erfahrung machen, dass Gewalt scheinbar die Lösung für Konflikte ist.“ Deshalb sei in jeder Flüchtlingsschule ein Sozialarbeiter, der sich speziell der seelischen und sozialen Probleme der Kinder annimmt und in Hausbesuchen auch die Familien mit einbindet.
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