Vom Amboss in den Sattel
Oberelchingen (kmd) - Einen internationalen Spitzenreiter stellt man sich irgendwie anders vor: Der Regiestuhl im Stallzelt neben dem Abreiteplatz beim 42. Oberelchinger Turnier ist von der Nachbarin ausgeliehen, der Pferdetransporter ist nicht hochglanz-lackiert - und genächtigt wird auch nicht im Sterne-Hotel, sondern im Schlafabteil dieses Transporters gleich neben den Pferden. "Ich könnte das gar nichts anders", erklärt Manfred Müller von der Schweizer Seite des Bodensee-Hinterlandes, "ich muss einfach bei meinen Pferden sein."
Pferde sind Müllers Leidenschaft und heute sein Beruf, der ihn komplett ausfüllt. Gelernt hat er Hufschmied. Das wollte er unbedingt werden, nachdem er als Kind mit einem Pferd in der Familie aufgewachsen ist. Vom Amboss in den Sattel eines Nationencup-Reiters ist ein weiter Weg und ein untypischer im Vergleich zu den betuchten Kollegen und Konkurrenten.
Müller ist ein Selfmade-Man, dessen Erfolgsgeschichte begann, als er vor knapp zehn Jahren den damals dreijährigen Wallach "Cheenoks Boy" entdeckte und kaufte. "Der sprang einfach immer höher", erzählt er, "da musste ich ja quasi mitspringen. Es ging immer weiter nach oben." Bis zuletzt beim CSI in Zürich, wo er mit Rang zwei hinter Ludger Beerbaum seinen bislang größten sportlichen Erfolg feierte. "Das war ein großartiges Gefühl: Vor heimischen Publikum, 10000 Zuschauer - und dann Zweiter." Da verblasst der gestrige Sieg im Großen Preis in Oberelchingen demgegenüber doch ein wenig.
Zweimal in der Woche steht Müller noch mit Hammer und Hufeisen am Amboss, das will er sich nicht nehmen lassen. Und schon gar nicht, seine eigenen Pferde zu beschlagen. Ansonsten widmet er sich seinem Pferdehof, den er seit drei Jahren betreibt. Dort erholt sich "Cheenoks Boy" gerade von einer leichten Zerrung, erst nächstes Jahr will Müller mit seinem Spitzenpferd wieder Turniere bestreiten.
In Oberelchingen hat er drei junge Pferde dabei, Alltag eines Ausbilders. Schöner Alltag: "Ich habe meine Liebe zu den Pferden zu meinem Beruf gemacht. Und der bringt mich in ganz Europa herum, wo ich mir so viele Dinge anschauen kann. Das ist doch wunderbar." Manfred Müller hält kurz inne. "Ja, ich bin ein glücklicher Mensch!"
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