Erotisches Hase-und-Igel-Spiel
Eine furiose Fahrt auf der „Achterbahn“ läutet die neue Spielzeit in Nördlingen ein
Nördlingen Die Schauspielmanufaktur Nördlingen startet seit ihrer Gründung 2010 in die vierte Spielzeit. Mit der vielfach ausgezeichneten Boulevard-Komödie „Achterbahn“ des tunesischen Autors Eric Assous hat Theaterleiter Nico Jilka dieses Jahr gleich ein Glanzlicht an den Anfang gesetzt. Bei der Premiere im Rotochsenkeller überzeugten Charis Hager und Wolfgang Krebs in ihren Rollen in dem sehenswerten Zwei-Personen-Stück.
Der Verlauf scheint vorgezeichnet, doch dann ...
Die Szenerie beginnt erotisch prickelnd: Juliette, attraktive Endzwanzigerin, und Pierre, leicht ergrauter, aber vitaler Geschäftsmann, lernen sich in einer Bar kennen. Man unterhält sich, ist sich sympathisch, trotz des deutlichen Altersunterschieds reizt beide offenbar die Aussicht auf ein amouröses Abenteuer. So landet das Pärchen auf ein „letztes Glas“ in seinem Apartment, der weitere Verlauf des Abends scheint vorgezeichnet.
Doch schon während des verbalen Vorspiels geht Juliette plötzlich auf Distanz. Als sich zudem herausstellt, dass der Verführer als „Ehemann noch im Amt“ ist, gibt sie die vom Gewissen Geplagte. Leicht irritiert, aber mit Eloquenz und Charme meistert Pierre die Situation, doch erneut wartet die Herzensdame mit einer Überraschung auf: Sie fordert nun Geld für ihre Liebesdienste. Rasch wird klar, wer nun die Regie übernommen hat, und dass die neue Wendung noch nicht das Ende darstellt. Für den überrumpelten Pierre beginnt nun eine wilde Fahrt auf der „Achterbahn“, eine Art erotisches „Hase-und-Igel-Spiel“. Immer wenn er sich mit einer Situation arrangiert hat, erwartet ihn die nächste Katastrophe – ein „Filmriss“ erschwert sein Urteilsvermögen zusätzlich. Derweil hüpft Juliette munter von Rolle zu Rolle, bis die Geschichte in einem überraschenden Schlussakkord mündet.
Die von Nico Jilka inszenierte Aufführung besitzt alle Attribute einer gelungenen Komödie: Ein erotisch aufgeladener Erzählstrang mit ständig wechselnden Perspektiven sowie spritzigen und pointierten Dialogen.
Natürlich lebt ein Zwei-Personen-Stück zuvorderst von der Qualität seiner Darsteller, und hier sind beide Rollen erstklassig besetzt. Wolfgang Krebs – regelmäßiger Gast in der Schauspielmanufaktur – überzeugt als weltläufiger Charmeur alter Schule: zunächst wortgewandt („Freiheit ist, nichts zu besitzen, mit der Sicherheit, sich alles leisten zu können“) und gewinnend, später als staunender Passagier auf emotionaler Berg- und Talfahrt.
Charis Hager setzt ihre Rollenvielfalt elegant um, pendelt gekonnt zwischen reservierter Bedenkenträgerin und aufreizender Verführerin, die zwar „das seltsame Tier Mann“ verstehen will, ihrem vermeintlichen Lover aber lediglich eine „Vier minus, knapp ausreichend – aber Potenzial vorhanden“ bescheinigt.
Die rund 100 Besucher in der ausverkauften Schauspielmanufaktur waren am Ende begeistert vom gelungenen Start in die neue Spielzeit. Die Darsteller wurden mit reichlich Applaus belohnt, diese „Achterbahn“-Fahrt hat offenkundig allen Spaß bereitet.
Auch oder gerade weil man laufend seine Gedanken neu sortieren musste, wie der verdatterte Pierre, dem zum guten Schluss nicht einmal der echte Rummelplatz erspart bleibt.
Weitere Spieltermine: Mittwoch, 16. Oktober, Donnerstag, 17. Oktober, Dienstag, 22. Oktober, Mittwoch, 23. Oktober, Dienstag, 29. Oktober, Mittwoch, 30. Oktober. Beginn ist jeweils um 20 Uhr. Kartenreservierung unter Telefon 09081/2761729 oder unter karten@schauspielmanufaktur.de. www.schauspiel-manufaktur.de
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