Orgelkonzert in der Spitalkirche: 1000 Jahre Musikgeschichte
In der neu renovierten Spitalkirche spielt ein Australier die Orgel, den in Nördlingen viele schon lange kennen. Das Programm beginnt mit archaischen Klängen.
Douglas Lawrence aus Melbourne ist in Nördlingen ein alter Bekannter. Man kann sagen, er hat eine Fangemeinde, mindestens in den Reihen der Kantorei St. Georg. Schon in den 80er-Jahren war der damalige Stadtkantor Klaus Meinzolt mit einem Auswahlchor und mit einer städtischen Delegation (wegen der Städtepartnerschaft mit Wagga-Wagga) nach Australien gereist und hatte kollegiale Bekanntschaft mit dem Musicdirector der dortigen "Scot’s Church" gemacht. Über den Personalwechsel in Nördlingen hinweg war der freundschaftliche Kontakt nicht abgerissen.
Lawrence war inzwischen mehrfach mit seinem Australian Chambre Choir auf Konzertreise in Europa und machte jeweils in Nördlingen Station. "Endlich", so der Nördlinger Kirchenmusikdirektor Udo Knauer bei seiner Begrüßung in der Spitalkirche, "endlich sind Douglas und Liz wieder in Nördlingen, wenn auch dieses Mal ohne Chor, und endlich kann die renovierte Orgel in der renovierten Spitalkirche offiziell der Gemeinde und der interessierten Bürgerschaft präsentiert werden." Zur Feier des Tages war ein Konzert mit "Orgel vierhändig" angekündigt, und das Programm versprach einen Überblick über fast 1000 Jahre Musikgeschichte.
Altertümlich klingende Kompositionen aus der Shakespeare-Zeit
Von den archaische Klängen des "Organum quadruplum: Sederunt", ursprünglich eine vierstimmige Psalmvertonung eines Klerikers der Kathedrale Notre Dame de Paris mit Namen Perotin aus der Zeit, da die Mönche begannen, über den schlichten einstimmig-gregorianischen Gesang hinauszugehen, über noch ziemlich altertümlich klingende Kompositionen aus der Shakespeare-Zeit (Tomas Tomkins und Nicholas Carlton), kam man allmählich in vertrautes Gelände mit der von Lawrence "zweihändig" vorgetragenen Passacaglia in d-Moll von Dietrich Buxtehude, einem musikalischen Vorläufer von Johann Sebastian Bach. Vom Großmeister selbst gab es den Contrapunctus 11 aus der Kunst der Fuge in einer Bearbeitung für vier Hände. Historisch korrekt folgten "zwey Fugen für zwey Personen an einem Clavier" von Georg Friedrich Händel und "Aria" und "Canon Two in One" von Benjamin Cooke.
Elizabeth Anderson zelebrierte "Lambert’s Fireside", ein idyllisches Stück über einen gemütlichen Abend am Kamin von dem nicht zeitlich, aber stilistisch in den chronologischen Ablauf der Programmfolge passenden englischen Kirchenmusiker Herbert Howells (1892-1983). Die folgende Fuge von Franz Schubert war trotz der Tonart e-Moll eine freundlich gestimmte Tastenzauberei für vier Hände.
Zweihändig gespielt von Elizabeth Anderson in der Spitalkirche
Dann kamen die Höhepunkte des Programms: "Fugue and Blues in D minor" vom Autor Willard A. Palmer (1917–1996) dem amerikanischen Cembalisten Igor Kipnis (1930-2002) gewidmet, zweihändig gespielt von Liz Anderson, jugendlich und rhythmusbetont. Wonach es zurück in die Klassik ging: Praeludium und Fuge für Orgel, vierhändig von Johann Georg Albrechtsberger, einem Mozart-Zeitgenossen und Lehrer Beethovens.
Kunst verwirklicht sich innerhalb der selbst gesetzten Regeln: volle barocke Pracht in allen Tonlagen, Regelhaftigkeit und Originalität, gelungenes Musizieren von zwei Virtuosen. Die Spitalkirchenorgel glänzt wie neu. Mit ihr und mit den ebenfalls renovierten Orgeln von St. Josef und St. Salvator, nicht zuletzt mit der großen St. Georgs-Orgel, und mit den zugehörigen anspruchsvollen Programmen wird Nördlingen zur Orgel-Hochburg.
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