Einmal Knut knuddeln
Einmal Knut streicheln - ein unerreichbarer Traum für die meisten Menschen. Doch unser Reporter Stefan Küpper hat es geschafft: Er durfte den Eisbären in seinem Gehege im Berliner Zoo besuchen.
Von Stefan Küpper
Berlin/Zoo. Knut ist ermattet. Nicht berauscht vom Applaus draußen. Jedenfalls hebt er zunächst nur kurz den Kopf und ist ansonsten mit sich beschäftigt. Ein erster Blick in seine tiefschwarzen Knopfaugen. Nicht von draußen vorm Gehege, kein Blick auf eines der ungezählten Bilder von "Knut", nein, ein Blick von Angesicht zu Angesicht.
Hinter dem Eisbärengehege, hinter dem schweren Tor mit den groben, schwarzen Brettern. In seinen Augen: die Leere der Stars nach ihren Auftritten. Knut ist weiß. Klar. Aber ist er auch weich? Fühlt er sich so an, wie kleine Eisbären sich anzufühlen haben ganz weich und flauschig und eben aus der Perwollwerbung gepurzelt?
Geduld. Denn wer könnte ihm seine Müdigkeit nachsehen? Es ist der Tag 50 nach der ersten Knut-Show. 50 Tage Riesen-Rummel um einen kleinen Eisbären und seinen Pfleger Thomas Dörflein. Knut war auf den Titelseiten von New York bis Neu-Delhi. Es gab eine Fotomontage mit ihm und Leonardo di Caprio auf der Titelseite der internationalen Vanity-Fair-Ausgabe.
Um die 500.000 Besucher kamen in den Berliner Zoo, um diesem täppisch-trotteligen Superstar im Pelz etwas näher zu sein. Ganz nah ran, Knut streicheln dürfen nur sehr wenige. Thomas Dörflein, die Ersatz-Mami, natürlich, aber die betont berlinerisch: "Hier darf sowieso keener rein!" Es ist also eine große Ehre, als einer der ersten Journalisten hier zu sein. Noch größer ist die Mühe, sich zurückzuhalten. Nicht sofort loszustürmen und das Balgen anzufangen. Endlich mal dieses Fell berühren. Endlich Knut knuddeln.
Aber nicht nur die ungezählten blauen Flecken am Körper von Dörflein gebieten respektvoll Abstand zu wahren. Knut hatte Zahnweh also hat er auch Zähne und Appetit. "Er frisst alles, was man ihm hinhält. Am liebsten das, was er nicht groß kauen muss." In sieben Jahren wiege er 600 bis 800 Kilo, sagt Dörflein. Im Augenblick schmeckt ihm ein Croissant. Und dann braucht Knut eine Portion Sicherheit: "Zwischendurch kommt er immer zur Mami am kleinen Finger nuckeln."
Geduld. Hände am Block festhalten. Dabei über die Bärenexistenz in der medialen Postmoderne räsonieren. Klassiker-Frage: Ist ihm der Rummel in den Bärenkopf gestiegen? Dörflein: "So ein Blödsinn! Aber er denkt natürlich, er ist der Allerschärfste. Männliche Eisbären sind nun mal die Herren in ihrem Revier." Und wer ist der Herr im Gehege? "Er hört auf ,nein¿. Aber nur wenn er möchte." Respekt könne sich Dörflein nur verschaffen, wenn er Knut am Nacken packt und schüttelt. "Das macht eine richtige Bärenmutter auch. Nur brutaler."
Tosca, seine richtige Bärenmutter, nahm ihren Nachwuchs nicht an. Für Klein-Knut begann der Kampf ums Überleben. Seither übernachtet Dörflein beim Bär. Knut ist das 34. Eisbärenbaby überhaupt, das die so genannte Handaufzucht geschafft hat. Die Trennung von der Mami steht nun unmittelbar bevor. Die "ist froh" darüber. Dörflein hat auch akzeptiert, dass die Menschen an seinem Knut interessiert sind. Zehn Briefe bekämen Knut und er täglich. Liebesbriefe und Heiratsanträge seien darunter. "Das ist mir unangenehm. Ich kann damit nichts anfangen." Die Leute hätten ihn sogar einfach angefasst auf der Straße.
Anfassen. Das Stichwort. Knut ist jetzt gewillt. Bei sich und bereit für den Gast. Endlich. Langsames Herunterbeugen. In die Hocke gehen. Die Hand streckt sich. Knut lässt es geschehen. Die Finger strecken sich. Knut lässt es geschehen. Struppig fühlt er sich an. Warm auch. Ein bisschen ölig, filzig vielleicht. Nicht wie ein Perwoll-Pulli jedenfalls. Dicht ist das Fell, so dicht, dass er die Berührung kaum zu bemerken scheint. Nur das nächste Croissant zählt.
Am Morgen gab es übrigens eine Konferenz im Zoo. Pressetermin für das Jaguar-Baby. Berliner Zeitungen schrieben "Vergesst Knut". Der kleine Bär hebt den Kopf, ein letzter Blick in die schwarzen Augen und Dörflein sagt dazu: "Knut ist das scheißegal."
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