Schulverweigerer siegen vor Gericht
Eine deutsche Familie war in die USA geflohen, weil sie ihre Kinder nicht zur Schule schicken wollte. Aus religiösen Gründen. In den USA bekam die Familie vor Gericht Recht. Von Joachim Rogge
Die Flucht ist vorerst zu Ende. "Wir sind dem Richter so dankbar", sagt Uwe Romeike. Lawrence Burmans Urteil bewahrt die schwäbische Familie nun vor der Abschiebung in die alte, 7500 Kilometer entfernte Heimat. Und Romeikes fünf Kinder müssen am Küchentisch weiterhin das lernen, was ihre Eltern für richtig halten.
Aus Bissingen an der Teck (Kreis Esslingen) war die Familie evangelikaler Christen im Sommer 2008 Hals über Kopf in die USA geflohen, weil sie ihre Kinder aus religiöser Überzeugung nicht in die öffentliche Schule schicken, sondern partout daheim unterrichten wollte. In Deutschland ist der Unterricht in den eigenen vier Wänden in der Regel verboten, in den USA indes ein klassisches Elternrecht. Als religiös Verfolgte stellten die Romeikes mithilfe eines US-Vereins, der das Recht auf das sogenannte "Homeschooling" propagiert, einen Antrag auf politisches Asyl.
Zwar sei Deutschland ein demokratisches Land und ein Alliierter, aber die ausgeprägte Verfolgung von Eltern, die ihre Kinder zu Hause unterrichten wollten, verletze elementare Menschenrechte, befand Richter Burman. Für den Verein der Homeschooler ist das Urteil ein Triumph. "Wir hoffen, dass Deutschland nach dieser Entscheidung damit aufhört, Eltern zu verfolgen, die ihre Kinder zu Hause unterrichten", meinte Anwalt Mike Donnelly, der die Familie Romeike vor knapp zwei Jahren in die USA gelotst hatte.
Mit polemischen Breitseiten gegen das deutsche Schulsystem, das seit Hitlers Zeiten Bildung an den Besuch einer Schule koppele, macht Donnelly seit Jahren antideutsche Stimmung. Die richterliche Entscheidung sorgt für Aufsehen. Einmal mehr prallen in diesem Fall Welten aufeinander. Dass deutsche Behörden tatsächlich darauf bestehen, Kinder notfalls mit Polizeigewalt zum Schulbesuch zu zwingen und Eltern im Extremfall sogar das Sorgerecht aberkennen können, löst Befremden aus. Rund 1,5 Millionen Schüler in den USA werden daheim, zumeist in streng religiösen Familien, unterrichtet. Tendenz steigend.
In Morristown, einer kleinen Stadt im konservativen US-Bundesstaat Tennessee am Fuß der Smokey Mountains, hat sich die schwäbische Familie nach ihrer Ankunft angesiedelt. Viele Gleichgesinnte, die ihre Kinder ebenfalls zu Hause unterrichten, leben in der Nachbarschaft. Vater Uwe (38), ein ausgebildeter Pianist, der seine Klaviere verkaufte, um den Umzug zu finanzieren, hält die Familie mit Musikstunden über Wasser. Das Haus in Baden-Württemberg ist vermietet.
Mit einem Touristenvisum war die Familie eingereist. Der Asylantrag war die einzige Chance, ihren Aufenthalt zu legalisieren. Im Oktober 2006 war der Konflikt eskaliert, als die Polizei Romeikes schulpflichtige Kinder mit Gewalt zur Schule brachte.
Der letzte Impuls, die Heimat zu verlassen, war nach Darstellung des Familienvaters eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Ende 2007, die den Jugendämtern in schweren Fällen das Recht zusprach, Eltern das Sorgerecht zu entziehen. "Da wussten wir, dass wir das Land verlassen mussten." Noch kann die US-Regierung gegen das Urteil Einspruch einlegen. Ob sie dies tut, ist offen. Joachim Rogge
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