Erster Sterne-Koch: Wie Eckart Witzigmann Geschichte schrieb
Der Spitzenkoch hat die deutsche Küche wie kein Zweiter revolutioniert. Vieles seiner Drei-Sterne-Kunst ist im Alltag angekommen. Jetzt feiert er ein Jubiläum.
Drei Herren nehmen an jenem nasskalten Montagabend Platz im neuen Restaurant am Münchner Maximiliansplatz. Aus der vom Küchenchef handgeschriebenen Karte bestellen sie ein Sieben-Gänge-Menü für 120 Mark. Zur Vorspeise gibt es kaltes „Parfait von Périgord-Gänseleber“, gefolgt von einem Hummer-Frikassee.
Weiter geht es herbstlich mit einer Wachtel auf einem Ragout von Waldpilzen und Steinbutt mit Champignons gedünstet. Vor dem Hauptgang, Reh-Medaillons mit Portweinsauce, wird zwischendurch ein kaltes Sorbet aus Passionsfrüchten serviert. Nach dem Dessert – Käse und Feigen in Cassis gedünstet – rufen die vermeintlichen Geschäftsleute den Chef zu sich.
Der 19. November 1979 veränderte für Eckhart Witzigmann alles
Um 23 Uhr nachts wird dieser 19. November 1979 vor genau 40 Jahren für Eckart Witzigmann der wichtigste Abend seines Lebens: Die drei Gourmetkritiker vom Guide Michelin verraten dem Österreicher, dass sein „Aubergine“ als erstes Restaurant in Deutschland die weltberühmte Auszeichnung von drei Sternen bekommt. Der finalen Entscheidung gingen bei Michelin lange Diskussionen voraus.
Doch Witzigmann war und ist bis heute der deutsche Ausnahmekoch. Schon 1973 war es eine Sensation, als der kompromisslose Perfektionist den ersten Michelin-Stern nach Deutschland holte. Heute zählt der 78-Jährige zu den letzten beiden lebenden vom Gault-Millau gekürten vier „Jahrhundertköchen“.
Sterne-Koch Witzigmann: Sein Leitmotiv prägt Hunderte deutscher Köche
Die drei Sterne veränderten Deutschlands Küche bis heute: Witzigmanns Prinzip der konsequent saisonalen Küche, in der die Zutaten klar erkennbar sind, setzte sich durch und ist bis heute Leitmotiv hunderter deutscher Köche. Sein Motto „Das Produkt ist der Star“ kann der Wahlmünchner zwar fast nicht mehr hören, befolgt es aber auch privat: „Ich habe immer sehr reduziert gearbeitet, zum Beispiel eher mit Wasser zum Aufgießen und Ablöschen von Bratensaft, um den ursprünglichen Geschmack zu erhalten, und war eher zurückhaltend mit Gewürzen“, verrät er heute.
Witzigmann lehrt erst seine Gäste, dann die ganze Nation, Gemüse nicht zu verkochen oder Soßen besser mit Butter als Mehl zu binden. Und in der Spitzenküche setzte er vor Jahrzehnten mit Kunstwerken auf den Tellern Maßstäbe, an die sich heute jedes bessere Restaurant halten muss.
Seinen Champagner-Jugendtraum hat Witzigmann sich erfüllt
Allerdings war Witzigmann auch in Geschäftsdingen immer mehr Künstler als Buchhalter: Auch wenn er sich seinen Jugendtraum erfüllt hat, täglich seinen Lieblings-Champagner Pol Roger trinken zu können, wurde er nie reich mit seiner Kochkunst. Viele seiner „Schüler“, zu denen neben Hans Haas, Alfons Schuhbeck oder Johann Lafer dutzende bekannte Köche gehören, zogen ihre Lehren aus dieser Erkenntnis und fluteten den Markt mit Kochbüchern: In zahllosen Rezepten lässt sich dabei die Handschrift ihres Lehrmeisters herauslesen. So landet heute Witzigmanns Philosophie täglich auch zu Hause auf vielen Tellern.
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