„Er sagte: Ach, schon wieder eine, die nicht stillen möchte"
Mutter, 46, Augsburg:
Die Geburt meiner Tochter ist schon ein paar Jahre her, aber Ihr Aufruf hat wieder einiges in mir aufgewühlt. Sie ist mein zweites Kind, ihren vier Jahre älteren Bruder hatte ich gestillt. Ich tat das, weil man das nun mal so machte, das war damals schon ein Trend. Es hieß, probier’s halt, es ist das Beste für dein Kind.
Immer wieder sagte die Schwester: „Jetzt probieren wir es noch mal“
Bei meiner Tochter wollte ich wieder stillen, aber es klappte nicht. Es war richtig unangenehm. Ich hatte blutige Brustwarzen, sollte abpumpen und immer wieder kam eine Schwester und sagte, „Jetzt probieren wir es noch mal“. Bis nach vier bis fünf Tagen eine Ärztin kam und zu mir hielt. Sie sagte: „Jetzt, reicht’s“ und gab mir ein Rezept für die Abstilltabletten. Auf der einen Seite war ich wirklich froh, dass nun der ganze Stillstress vorbei war, auf der anderen Seite habe ich mich meiner Tochter gegenüber schlecht gefühlt, weil ich es nicht geschafft hatte, ihr das gleiche zu bieten wie ihrem Bruder.
Ich ging also in die Apotheke, um das Rezept einzulösen. Der Apotheker, ein älterer Mann, sagte: „Ach, schon wieder eine dieser Mütter, die nicht stillen möchten.“ Ich habe dann nur geheult, das hat mich so verletzt. Er konnte ja denken, was er will, aber er sollte mich als Kundin beraten und nicht verurteilen.
„Probieren, probieren, probieren – das meinte anfangs auch mein Mann
Mein Mann war anfangs auch eher der Meinung „probieren, probieren, probieren“, er stellte aber schnell fest, dass das Flaschegeben einen großen Vorteil hatte: Nun konnte auch er mal unsere Tochter füttern, was er sehr gerne tat.
Als ich meinen Sohn die Brust gab, frage nie jemand nach. Weshalb ich meiner Tochter die Flasche gab, musste ich des Öfteren erklären, allerdings zeigten diese Fragen eher Interesse und waren kein Vorwurf. Ich habe festgestellt, dass es mir als Mutter viel besser ging, als ich nicht stille.
Meine Kinder sind inzwischen Teenager. Dem Verhältnis zwischen meiner Tochter und mir hat die Flasche nicht geschadet. Ich habe zu ihr sogar eine innigere Beziehung als zu ihrem Bruder. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass wir beide Frauen sind. (lea)
Dieser Text ist ein Teil unseres Wochenend-Journal-Schwerpunktes "Kampfzone Mutterbrust" zum Thema Nicht-Stillen. Mehr als 50 Frauen aus der Region haben sich daran beteiligt und ihre Geschichten erzählt. Die weiteren Gesprächsprotokolle finden Sie unter
Kampfzone Mutterbrust: Harter Streit um die Milch fürs Baby
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