Der Banküberfall kommt aus der Mode
Der spektakuläre Bankraub in der Londoner Llodys Bank 1971 ist im Thriller "Bank Job" in den Kinos zu sehen. Doch der Filmindustrie geht der Stoff aus. Der klassische Bankraub ist ein kriminelles Auslaufmodell. Von Jörg Heinzle
Von Jörg Heinzle
Augsburg. Der Ganove Terry Leather muss einigen Aufwand betreiben, um in den Tresor der ehrwürdigen Londoner Lloyds Bank vorzudringen. Und natürlich gräbt er auch einen Tunnel, wie man das von einem gewieften Bankräuber erwartet. Die Geschichte von Leathers spektakulärem Raub ist derzeit im Thriller "Bank Job" in den Kinos zu sehen - er beruht auf einer wahren Begebenheit aus dem Jahr 1971.
Ein kniffliger, gut durchdachter Bankraub ist seit jeher eine beliebte Vorlage bei Filmemachern in Hollywood & Co. Der Zuschauer zittert, bangt und träumt im Kinosessel den Traum vom schnellen, großen Geld. Doch der Filmindustrie droht auf lange Sicht der Stoff auszugehen. Der klassische Bankraub ist ein kriminelles Auslaufmodell. Im Jahr 1996 zählte das Bundeskriminalamt (BKA) noch 1451 Überfälle auf Geldinstitute und Poststellen, 2006 gab es nur noch 582 Fälle. "Die Abnahme der Fälle ist sicherlich durch verstärkte Sicherungsmaßnahmen in den Bankgebäuden zu erklären", sagt Gerhard Salmen, Sprecher des Bundeskriminalamts. Die Hüter des Geldes haben viel getan, um ihre Schätze besser zu schützen: Schalterbereiche lassen sich abschotten, fast jeder Winkel wird von Kameras beobachtet. Es gibt Sicherheitstüren, Geheimzahlen und Tresore, die sich nur von mehreren Mitarbeitern gleichzeitig öffnen lassen.
Gewitzte Tresorknacker, die mit Tricks und Kniffen selbst der Polizei Respekt abnötigen, waren ohnehin immer in der Minderheit. Typen, wie die Bankräuber Franz und Erich Sass, die in den 1920er Jahren in Berlin Prominenz erlangten. Die Sass-Brüder planten ihre Coups mit Millionenbeute so brillant, dass man ihnen nichts nachweisen konnte. Die Mehrzahl der Bankräuber dagegen, so Gerhard Salmen, werde aus "Verzweiflung" und "akuter Geldnot" an den Bankschalter getrieben. Mit Waffe in der Hand und Strumpf überm Kopf. "Die meisten sind nicht clever, sondern brutal."
Wer heute ans große Geld will, gaunert lieber im Internet. Der Rechtsanwalt David Rosenthal hat in einem Aufsatz über die Zukunft des Bankraubs sinniert. Konjunktur haben demnach Cyberspace-Räuber, die Schwachstellen im globalen Geldkreislauf nutzen. Während der Durchschnitts-Bankräuber unter hohem Risiko nicht mal 30 000 Euro erbeutet, lassen sich aus den Datennetzen Millionen fischen. Mit der Strafe verhält es sich umgekehrt. Im Internet liegt kein bewaffneter Raub vor, sondern meist "nur" Betrug. Anfang des Jahres etwa waren sieben Hacker kurz davor, eine schwedische Bank digital um Millionen zu erleichtern. Ein Angestellter verhinderte das in letzter Sekunde - er zog den Stecker des PCs.
Online-Bankräuber stürzen sich seltener auf die Banken, sondern vor allem auf die schlechter geschützten PCs der Kunden. "Man greift die schwächere Seite an", sagt David Rosenthal. Eine gängige Masche ist das Phishing - der Versuch, über Tricks an Kontodaten und Geheimzahlen zu kommen. Allein durch Phishing seien 2007 mindestens 16 Millionen Euro Schaden entstanden, schätzt das BKA. Und die Dunkelziffer ist hoch. Udo Helmbrecht, Chef des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik sagt: "Was früher ein Postkutschenüberfall war, ist heute das Phishing."
Der Unterschied jedoch: Ein Online-Bankraub läuft leise ab. Ohne Waffen, Gewalt und Geiseln. Deshalb ist von den Hackern der Unterwelt wenig zu lesen und hören. Und die Banken haben kein Interesse, die Fälle nach außen zu tragen und Sicherheitslücken zu offenbaren. "Das ist ähnlich wie bei der Industriespionage", sagt Karsten Lauber vom bayerischen Landeskriminalamt. Dass sämtliche Bankräuber nun einfach das Metier wechseln, glaubt aber keiner. Ganz verschwinden wird der klassische Überfall nicht. Denn, so Lauber: "Wer mit einer Waffe in die Bank geht, hat nicht das Know-how, um im Internet aktiv zu werden."
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