Sohn vor U-Bahn geschubst: Mutter muss in Psychiatrie
Der Fall sorgte für Entsetzen: Eine Mutter hatte in Hamburg ihren Sohn (11) vor eine U-Bahn gestoßen. Vor Gericht wurde geschildert, wie die Frau davor noch die Polizei anrief.
Die Mutter, die ihren elf Jahre alten Sohn in Hamburg vor eine einfahrende U-Bahn gestoßen hat, muss auf unbestimmte Zeit in die Psychiatrie. Die Einweisung der schizophrenen Frau ordnete das Landgericht Hamburg an. Die Tat sei schockierend, sagte die Vorsitzende Richterin Ulrike Taeubner am Montag. Die Strafkammer sei jedoch überzeugt, dass die Angeklagte wegen einer krankhaften Störung nicht schuldfähig sei. Sie habe Stimmen gehört, die ihr befahlen, ihren Sohn vor die U-Bahn zu schubsen.
Die 32 Jahre alte Mutter hatte am 18. Oktober vergangenen Jahres ihren Sohn an der Hamburger U-Bahn-Station Hoheluftbrücke vor einen Zug gestoßen. Die U-Bahn überrollte den Jungen und verletzte ihn lebensgefährlich. Er erlitt zwei Beckenbrüche und verlor den linken Unterschenkel. Das Gericht stellte versuchten Totschlag sowie schwere und gefährliche Körperverletzung fest.
Sohn vor U-Bahn geschubst: Mutter hörte Stimmen aus dem Feuermelder
"Die Tat bleibt unfassbar, weil es keinen rational nachvollziehbaren Grund gibt", sagte die Richterin. Die Kammer sei überzeugt, dass die Angeklagte ihren Sohn liebe. Sie sei aber an einer chronischen Schizophrenie mit Halluzinationen und Wahnvorstellungen erkrankt. Die Stimmen, die sie seit ihrer Jugend höre, hätten ihr oft gesagt: "Du schaffst das", "Du bist eine starke Frau", "Du siehst gut aus". Manchmal hätten sie der Angeklagten aber auch befohlen: "Spring aus dem Fenster", "Schwimm durch den Bach" oder "Schneid dir in den Finger".
Noch am Morgen des Tattages habe sie die Polizei gerufen, weil sie Stimmen aus einem Feuermelder und aus der Lüftung im Badezimmer gehört habe. Gegen die Stimmen später an der U-Bahnstation habe sie sich nicht wehren können. Sie habe keinerlei Motiv gehabt, ihrem Sohn etwas anzutun. "Sie waren zur Tatzeit fremdgesteuert", sagte Taeubner. Wegen fehlender Einsichtsfähigkeit sei auch nur von versuchtem Totschlag und nicht von versuchtem Mord auszugehen.
Nach Einschätzung eines Gutachters stellte die Angeklagte eine Gefahr für die Allgemeinheit dar. Es seien weitere erhebliche Straftaten zu erwarten. "Ihre Erkrankung ist sehr schwer", sagte die Richterin an die Angeklagte gewandt. Sie müsse sich unbedingt behandeln lassen. Monate vor der Tat an der U-Bahnstation habe sie die erforderlichen Medikamente "wieder mal" selbstständig abgesetzt, weil diese als Nebenwirkung eine Gewichtszunahme bewirkten.
Für eine Aussetzung des Unterbringungsbefehls auf Bewährung sei es zu früh, erklärte Taeubner. Es gebe aber sehr positive Umstände: Die Angeklagte setze sich mit ihrer Erkrankung auseinander, sei einsichtig und nehme ihre Medikamente ein. Sie brauche jedoch ein stabiles Umfeld, da sie ihre Psychose auch schon als angenehm verklärt habe.
Die Angeklagte verfolgte das Urteil mit unbewegter Miene. Es ist noch nicht rechtskräftig. dpa/AZ
Die Diskussion ist geschlossen.