„Der Druck und das schlechte Gewissen sind schlimm“
Mutter zweier Teenager, 48, verheiratet, Angestellte aus Nordschwaben.
Ich liebe meine Kinder, mit ihnen hat sich mir eine Gefühlswelt eröffnet von einer ganz besonderen Art. Freuden und Ängste, die nur zusammen mit Kindern entstehen. Der Augenblick der beiden Geburten, waren die schönsten Momente in meinem Leben. Und viele wunderschöne Momente folgten. Wie das Greifen, das erste Wort, die ersten Schritte. Ich bin ganz oft stolz auf meine beiden Wunschkinder. Und doch würde ich, wenn ich damals davon gewusst hätte, was da auf mich zukommt, keine Kinder mehr wollen.
Zum einen, weil ich eine Erbkrankheit habe, von der ich früher nichts wusste. Außerdem überfordern mich die Anforderungen als Mutter, Frau, Arbeitnehmerin – ich bin immer nur halb da. Der Druck und das schlechte Gewissen von außen sind schlimm, das hat mich oft verunsichert.
Bald nach der Geburt meines ersten Kindes war ich wieder halbtags tätig. Das Verständnis am Arbeitsplatz für die „Probleme“ einer jungen Familie war unterschiedlich. Damals waren Krippenplätze Mangelware und sehr teuer. Eine Investition in meine berufliche Zukunft. Die Kinderkrankheiten stellten ein doppeltes Problem her. Fremdbetreuung für ein krankes Kind kommt nicht in Frage. Viele Alternativen außer selbst zuhause zu bleibe, blieben mir nicht. Jonglieren mit den Arbeitszeiten von mir und meinem Mann, und ab und zu Hilfe aus der Familie. Das erzeugte in der Arbeit keine richtige Freude. „Die kommt wann sie will, ist ständig krank, oder das Kind, muss die denn arbeiten, kann die nicht bei ihrem Kind zuhause bleiben?“ Meinungen!! Irgendwann, während einer wirtschaftlichen Schieflage des Betriebes, die Aussage vom Personalchef, ich sei nicht flexibel genug, da ich keine flexible Kinderbetreuung habe, wie sie von Omas geleistet werden kann. Vorschlag Kündigung und Abfindung. Erst ein Gespräch mit einer Anwältin stärkte mich um unbeirrt weiter zu machen. Bis heute. Lob für das Jonglieren von Beruf und Familie gibt es nicht.
Die Frauenrolle scheint für große Schichten der Gesellschaft so praktisch zu sein, dass sie da im Berufsleben eine Bremse reinhauen. Frauen dürfen ja Hosen tragen, Bundeskanzler werden, wählen und arbeiten, ohne ihren Mann zu fragen - aber Karriere als Mutter? Jetzt wird’s wohl unheimlich! Mein Mann denkt da zum Glück anders und unterstützt mich voll, er weiß auch, was ich als Teilzeitfrau leiste. Ich war unterfordert im Haushalt, die Arbeit tut mir gut. Und ein Kind, das den halben Tag in Betreuung ist, profitiert auch davon, weil es mal andere Menschen trifft.
Heute ist es leider nicht mehr so, dass Frauen sich gegenseitig stärken. Der Kontakt untereinander ist nicht so groß. Jede versucht, ihr eigenes Ding zu drehen, eine eigene heile Welt aufzubauen und will keine Hilfe. Oder sie mischen sich viel zu sehr ein, anstatt einfach mal zuzuhören. Sie sollten lieber Allianzen bilden.
Mit einer Nachbarin, die auch mehr Kinder hat, habe ich mal über meine Gedanken gesprochen. Sie empfindet das Muttersein auch als schwer. „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mir lieber noch zwei Hunde angeschafft“, sagte sie. Natürlich ist es schwer zu sagen, „ich würde nicht mehr…“ schließlich geht es um etwas ganz wertvolles, um Leben, und darüber nachzudenken, ob ich es gut oder schlecht finde, ist hart. Man kann und will es ja auch nicht mehr rückgängig machen. Alle Lebewesen sind auch Vermehrung aus, beim Menschen ist es jetzt manchmal anders? Ein erschreckender Aspekt ist auch: Nie wieder kann ich mich zurücklegen und sagen „jetzt ist gut“. Immer wird da der Gedanke an zwei Menschen sein und was mit denen ist.
Meinen Kindern habe ich erzählt, dass ich mich auf den Aufruf melde. Mein jüngeres Kind war geschockt. Ich habe ihm erklärt, dass es nicht an ihm liegt und ich es natürlich über alles liebe. Mein älteres Kind hat es sofort verstanden. Mein Mann weiß auch, dass ich meine Geschichte erzähle.
Von meinen Kindern erwarte ich nicht, dass sie sich im Alter um mich kümmern werden. Bei dem derzeitigen Lohnniveau werden sie mit ihren Partnern Vollzeit arbeiten müssen, um sich selbst und etwaige Kinder versorgen zu können. Lohnverzicht zugunsten der Pflege der Eltern werden sie sich nicht leisten können.
Ich aber beziehe nur die reduzierte Rente aus der Teilzeit. Eine lose-lose Situation. Früher waren die Kinder eine Art der Altersvorsorge. Ich war ein Teil der Altersvorsorge meiner Eltern. Mit den Problemen, welche mit den Kindern automatisch kommen, fühlte ich mich alleine gelassen. Während der Babyzeit kam die Hebamme zwar ab und zu vorbei und gab Rat. Später im Kindergarten konnte ich mit den Kindergärtnerinnen mich austauschen. Seit die Kinder in der Schule sind gibt es für die Probleme keine adäquaten Gesprächspartner. Bereits in der 4. Klasse berieten uns die Lehrer nicht neutral. Der Erhalt der Schule stand in Vordergrund. Jetzt pubertieren die beiden und die Lehrer schieben alles auf das Elternhaus und die schlechte Erziehung. Vielleicht ein spezielles Problem von mir?
Um die Zukunft meiner Kinder mache ich mir große Sorgen. Wie werden sie leben können? Wie wird ihre Arbeit bezahlt. Wie wird die Luft zu atmen sein? Das Wasser? Können sie frei leben ohne Zwänge und Zugehörigkeiten? Im Hier und Jetzt kann ich ganz gut auf meine Probleme eingehen. Erziehungsfehler sind schon gemacht und der Vorwurf ist nicht sehr hilfreich. Umweltzerstörung geschieht täglich. Profit und Machtgier Einzelner ist der Motor dafür.
Fazit: Model „Familie“ ist ein Auslaufmodel. Die große Familienverbünde früher haben sich gegenseitig geschützt und gestärkt. Solche kleinen Einheiten wie sie heute zu finden sind, sind sehr anfällig und unstabil. Kein Verständnis zwischen den Generationen. Alle vergessen, dass sie auch mal jung waren. Die Entwicklung in der heutigen Zeit ist so rasend, da kommen nicht mehr alle Menschen mit. Da die Generationen so strikt getrennt sind, kann auch Hilfestellung kaum gegeben werden. Die Erfahrung der „Alten“ und das Wissen der Jungen bleibt isoliert auf jeder Seite. Schade.
Die Diskussion ist geschlossen.