Schausteller fürchten um Volksfestkultur
Bundesweit wehren sich Karussell-Betreiber gegen eine neue Sicherheitsvorgabe der Europäischen Union. Aus ihrer Sicht kann diese nicht auf alte Fahrgeschäfte angewendet werden.
Jahrmärkte in Deutschland sind ohne Riesenrad, Kettenkarussell oder Musik-Express kaum denkbar. Doch die Schausteller befürchten, dass einige Klassiker künftig von der Kirmes verschwinden könnten. Denn die Genehmigungen für die sogenannten Fliegenden Bauten werden nur noch erteilt, wenn sie die neue EU-Norm DIN EN 13814 erfüllen. Allein die Überprüfung der alten Fahrgeschäfte würde jeden Tausende von Euro kosten, klagen die Betreiber. Sie halten die Übernahme der EU-Norm für alte Karussells für rechtswidrig. An diesem Mittwoch entscheiden darüber die Richter des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Lüneburg.
Warum klagt Heiko Schierenbeck, Achterbahn-Betreiber aus Weyhe im niedersächsischen Landkreis Diepholz, gegen den TÜV Nord?
Seine in den 1980er Jahren gebaute Achterbahn "Black Hole" stellt nach der niedersächsischen Bauordnung einen "Fliegenden Bau" dar. Die Genehmigung für den Betrieb wurde bisher für jeweils zwei Jahre auf Grundlage der Norm DIN 4112 erteilt. Der TÜV Nord als Baugenehmigungsbehörde verlangt von Schierenbeck, in diesem Jahr die Anforderungen der neuen, strengeren EU-Norm zu erfüllen. Der Kläger hält dies für rechtswidrig. Im vergangenen Oktober hatte das Verwaltungsgericht Hannover Schierenbecks Klage bereits stattgegeben. Der TÜV Nord ging in Berufung. Das Verfahren gilt als wegweisend für die ganze Branche.
Welche Sicherheitsvorgaben gibt es bisher?
Die Schausteller betonen, dass Deutschland sehr strenge Sicherheitsbestimmungen habe und diese ausreichten. Die Fahrgeschäfte werden dem Deutschen Schaustellerbund zufolge alle ein bis zwei Jahre vom TÜV gecheckt. Außerdem gebe es Prüfungen der örtlichen Baubehörden nach dem Aufbau auf jeder Kirmes sowie regelmäßige Sonderprüfungen, bei denen die Anlagen komplett auseinandergenommen werden. "Für uns gilt "safety first", aber wir sehen hier eine Regulierungswut der Behörden", sagte der Geschäftsführer des Schaustellerbundes, Frank Hakelberg. Nach der neuen EU-Norm müssen zum Beispiel Kettenkarussells Personen mit einem Körpergewicht von 100 Kilo tragen können statt wie bisher 75 Kilo.
Wie steht das zuständige niedersächsische Sozialministerium zu den Protesten der Schausteller?
"Die Landesregierung stellt weiterhin die Sicherheit für die Nutzerinnen und Nutzer der Fahrgeschäfte vor die wirtschaftlichen Interessen der Schausteller", sagte der Sprecher des Sozialministeriums, Dominik Kimyon. Der Landtag in Hannover hatte sich im Januar mit dem Thema beschäftigt und in einem Beschluss für den Bestandsschutz alter Fahrgeschäfte ausgesprochen. Ähnliche Beschlüsse gibt es auch aus anderen Länderparlamenten. "Ein zeitnahes Urteil des OVG würde uns natürlich bei der Einschätzung der Frage helfen, ob die Länder auf dem richtigen Weg sind", sagte der Ministeriumssprecher.
Ist die Volksfestkultur in Gefahr?
Die Schausteller-Branche macht auf den rund 10 000 Volksfesten in Deutschland einen Bruttoumsatz von rund 2,65 Milliarden Euro. Die großen Fahrgeschäfte seien dabei die Zugpferde, betonte Hakelberg. Sollten die Betreiber mit ihrer Argumentation scheitern, seien einige Existenzen bedroht. "Wir haben aber erheblichen Rückenwind aus der Politik und sind guten Mutes", sagte der Verbandschef. "Die mehr als 1000 Jahre alte Volksfestkultur muss erhalten bleiben."
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