Die Speckrolle: Ein Beweis für eingeschränkte Pressefreiheit?
Angefangen hat alles mit einer Speckrollen, die auf einem Urlaubsfoto des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy wegretuschiert wurde. Nun schlugen Sarkozy-Kritiker Alarm: Der weggemogelte Hüftspeck sei ein Indiz für dessen Medien-Macht ¿ doch der Elysée-Palast winkt ab.
Paris (dpa/AFP) - Angefangen hat alles mit einer Speckrollen, die auf einem Urlaubsfotodes französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy wegretuschiert wurde. Nunschlugen Sarkozy-Kritiker Alarm: Der weggemogelte Hüftspeck sei ein Indiz für dessen Macht über die Medien ¿ doch der Elysée-Palast winkt ab.
Das Foto zeigt Sarkozy mit nacktem Oberkörper gemeinsam mit seinem Sohn Louis in einem Kanu auf einem See im amerikanischen Urlaubsort Wolfeboro. Die Klatschzeitschrift Paris Match hat die Aufnahme nachbearbeitet und eine unschöne Speckfalte oberhalb der Badehose kurzerhand per Mausklick entfernt. Die Überarbeitung habe das Blatt damit gerechtfertigt, dass die Rolle wegen der gekrümmten Haltung auf der Bootsbank und der ungünstigen Lichtverhältnisse übertrieben hervorgetreten sei. Deswegen habe man "die Schatten korrigiert".
Das Resultat der Retusche war allerdings derart kläglich und offensichtlich - die Bilder gingen schließlich erst kürzlich um die Welt -, dass sich die Konkurrenz nun hämisch über die Promi-Zeitschrift hermacht: Die Zeitschrift L'Express veröffentlichte auf ihrer Website das Originalfoto eines Agenturfotografen und stellte sie der Originalversion von Paris Match gegenüber. Wie peinlich.
Doch hinter dem Photoshop-Experiment steckte sicher keine böse Absicht: Besser nicht das Risiko eingehen, Sarkozy zu verärgern, haben sich die Redakteure vermutlich gedacht, schließlich ist Negatives über die Sarkozys ist bei Paris-Match nicht gern gesehen. Eigner des Magazins ist nämlich Arnaud Lagardère, ein langjähriger Freund Sarkozys. Und so war im vergangenen Jahr der Chefredakteur entlassen worden, nachdem das Blatt auf seiner Titelseite ein Foto von Sarkozys Frau mit deren zwischenzeitlichem Geliebten abgedruckt hatte.
Der Élysée-Palast wies am Donnerstag jedoch mögliche Mutmaßungen zurück, die schlanker machende Retusche sei vom Präsidentenpalast aus veranlasst worden. "Wir kennen uns hier mit Bildbearbeitungsprogrammen nicht so gut aus", sagte Regierungssprecher David Martinon. "Wir haben niemandem einen Auftrag gegeben", fügte er hinzu.
Zwar ist Paris der Sitz der Organisation Reporter ohne Grenzen, die sich weltweit für Pressefreiheit einsetzt, doch in Frankreich selbst scheinen die Grenzen der Presse für europäische Verhältnisse relativ eng gesteckt zu sein. Da passiert es etwa, dass der Präsident aus seinem amerikanischen Urlaubsort persönlich bei der Zeitung "Le Monde" anruft und die Redaktion auffordert: "Schreiben Sie nicht über Cécilia."
Kurz zuvor hatte Cécilia Sarkozy eine persönliche Einladung der US-Präsidentengattin Laura Bush wegen Krankheit abgesagt und war am nächsten Tag beim Stadtbummel beobachtet worden.
Nie zuvor stand ein französischer Präsident samt Familie derart im Rampenlicht der Medien. Allerdings hat Sarkozy selbst kräftig dazu beigetragen. Schließlich war er es, der Cécilia ohne weitere Absprachen nach Libyen schickte, um mit Revolutionsführer Muammar al- Gaddafi über die Freilassung der bulgarischen Krankenschwestern zu verhandeln.
Die zurückhaltende Kritik mancher französischen Medien an der Regierung erklärt sich auch durch das enge Verhältnis, das Sarkozy etwa zu Verlegern pflegt. Arnauld Lagardère, zu dessen Zeitschriftenimperium neben Paris Match auch die Zeitung Journal du Dimanche gehört, nennt Sarkozy seinen "Bruder". Journal du Dimanche entfernte nach der zweiten Wahlrunde kurz vor dem Andruck einen Artikel aus dem Blatt, in dem zu lesen war, dass Cécilia Sarkozy auf ihre Stimmabgabe verzichtet hatte.
Kürzlich zeigte Bernard Arnault, Chef der Luxusindustrie-Gruppe LVMH (Louis Vuitton Moët Hennessy) und Sarkozys Trauzeuge, Interesse am Kauf der Wirtschaftszeitung Les Echos. Die Redakteure wehrten sich dagegen und betonten in einem offenen Brief, dass die Abhängigkeit einer Zeitung von einem Wirtschaftskonzern zur Selbstzensur führe. "Vor allem eine Wirtschaftszeitung würde dadurch zuerst ihre Glaubwürdigkeit, dann ihre Leser und schließlich auch Geld verlieren."
Außerdem geriete Arnault, dem bereits die Wirtschaftszeitung La Tribune gehört, in den Verdacht der Monopolisierung. Wie manche französischen Politiker und Unternehmer ihr Verhältnis zur Presse sehen, verdeutlicht eine Bemerkung des Rüstungsindustriellen Serge Dassault, der die Zeitung Le Figaro besitzt und ebenfalls mit Sarkozy befreundet ist: "Warum sollte ein Eigentümer oder ein Großaktionär nicht in seiner Zeitung schreiben dürfen, was er denkt?" Die schlichte Antwort darauf lieferte das Satireblatt Le Canard Enchaîné: "Weil er keinen Presseausweis hat."
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