Selbsterfahrungstrip: Wellness für Männer
Immer mehr Männer wagen sich an Gesichtsmaske, Schlammbad und Kräuter-Treatment. Unser Kollege Ronald Hinzpeter hat einen Selbsterfahrungstrip in die Steiermark gemacht.
Wäre das hier ein Film, er müsste wohl einen Titel tragen wie „Die Rache der Mumie“. Fünf Männer hängen schlaff zurückgelehnt auf ihren Stühlen, die Gesichter entstellt. Ein breites Quadrat Verbandsmull mit Löchern für Mund und Augen klebt auf der Haut. Eine weißlich-gelbe Masse ist darauf verschmiert. Es riecht nach Haferflocken, Apfel, Honig, Kräutern und Quark. Der Filmtitel könnte aber auch heißen „Mein schrägstes Selfie“, denn natürlich zücken alle ihre Smartphones und fotografieren, was sie gerade mit ihrem Gesicht angerichtet haben. Schließlich ist das ja nur eine Feuchtigkeitsmaske der Marke Eigenmix, die gerade munter vor sich hin trocknet. Die einzige Frau in unserer Runde grinst sich eins. Sie hat sich dem Selbstversuch verweigert mit der einleuchtenden Begründung: „Dann hätte ich mich ja vorher abschminken müssen.“ Unter der Maske neben ihr brummelt es hervor: „Ich hab mich doch auch nicht abgeschminkt.“
Ein unbekanntes Land namens Wellness
Wir sind somit in das Herz dieses unbekannten Landes namens Wellness vorgestoßen. Hier herrschen normalerweise die Frauen. Ihre Waffen sind Gesichtsmaske, Schlammpackung, Massageliege und Sauna. Unsere Gruppe hat sich gewissermaßen auf eine Art Selbsterfahrungstrip in die Steiermark begeben, um herauszufinden, ob und wie Wellness und Männlichkeit zusammengehen.
Harald Binder weiß das ganz genau. Er gilt als der Erfinder der sogenannten Steirischen Naturwellness mit allerlei selbst gezogenen Kräutern und hausgemischten Essenzen, mit denen er im Falkensteiner Hotel zu Bad Waltersdorf die Entspannungswilligen behandelt und anschließend unter die Erde bringt.
"Spa Personality Of The Year"
Das ist wörtlich zu verstehen, denn auf sein Betreiben hin hat das Hotel eine Erdsauna errichten lassen, in der es noch einen Zacken heißer zugeht als in herkömmlichen Schwitzkästen, was sich aber dank der Bodenfeuchtigkeit, die durch die ausgesucht alten Bretter dringt, gut ertragen lässt. Vergangenes Jahr wurde Binder als „Spa Personality Of The Year“ ausgezeichnet.
Beim Thema Wellness seien die Frauen eben schneller gewesen, meint er: „Männer waren schon immer etwas nachlässiger, was ihren Körper betrifft, doch sie holen auf.“ Männer kommen langsam, aber gewaltig. Vor einem guten Jahrzehnt konnten die Kerle sich höchstens mal für Massage und Sauna erwärmen. Doch jetzt legen immer mehr Männer Wert auf Maniküren und Fußpflege. „Da hat sich schon viel getan“, sagt Binder, der Spa-Mann.
Auch Männerhaut verdient Pflege
Allerdings hinke das harte Geschlecht beim Thema „Beauty“ noch deutlich hinterher, das zeige sich bei den Hotelgästen ganz deutlich. Mal ausprobieren, das sei ganz okay, aber „dann geht es nicht weiter“. Dabei hätte doch grade die Haut als größtes Organ des Menschen ein bisschen mehr Aufmerksamkeit verdient. Die ist zwar bei den Trägern des Y-Chromosoms etwas dicker und straffer, aber „im Alter trifft es sie schlimmer als die Frauen, denn sie bekommen die tieferen Furchen.“
Dennoch scheinen die Herren noch etwas dickfellig, wenn es um die Pflege ihres größten Organs geht. Dabei brauchen sie gerade Feuchtigkeit – und die lässt sich leicht mit einer selbst gerührten Masse aus Sauerrahm, geraspeltem Apfel und Ringelblumen-Blättern herstellen. Wobei die klassische Gurkenscheibe eigentlich den gleichen Zweck erfüllt. Aber sie befriedigt nicht unbedingt den Trieb zum Selbermachen, der Männer auch in den Baumarkt treibt.
Müsliflocken oder Maisgries in die Männermaske?
Davor sollte jedoch erst mal ein Peeling gemacht werden, erklärt Binder unserer Expeditionsrunde, denn Männerhaut produziere sehr viel mehr Poren verstopfenden Talg als die der Frauen. Damit wir uns eine sanfte Raspelsubstanz mischen können, hat er schon mal was vorbereitet.
Und natürlich kann er auch kompetent darüber Auskunft geben, ob als Schleifkörper besser Müsliflocken oder Maisgries in die Quark-Öl-Kräuter-Pampe gerührt werden. Große Diskussionen braucht er bei seinen Kursen nicht zu fürchten, denn Männer lassen sich gerne etwas sagen, wohingegen es mit Frauen etwas schwieriger sei: „Die Männer haben gleich Vertrauen, aber die Frauen lassen sich nicht so schnell was erzählen, denn die haben schon so ihre Erfahrungen.“
Abschied von der Körperbehaarung
Was die Körperbehaarung angeht, tun es die Männer immer mehr den Frauen gleich und nehmen Abschied von ihrem felligen Urmenschen-Erbe. So wird denn ohne Ansehen des Geschlechts fröhlich drauflosgeschabt und epiliert, sowohl oberhalb, unterhalb als auch in der Badehosen-Zone. Was noch stehen bleibt, etwa im Gesicht, lässt sich der Mann von Welt gerne mal färben. Zu den Trends im Wellnessbereich gehört auch, sich Muster in das Brusthaar rasieren zu lassen. „Die Männer trauen sich immer mehr“, freut sich Binder.
Und längst erstreckt sich Wellness nicht mehr nur auf die Feuchtgebiete der Hotel-Spas, denn „Anwendungen“ alleine führen nicht zur Rundum-Entspannung. Deshalb fasst Binder den Begriff des Wohlseins deutlich weiter: „Wellness ist alles, was dem Körper gut tut.“
Kulinarische Wellness
Damit eröffnet sich freilich ein weites Feld, das je nach persönlichen Neigungen anders beackert wird. Nachdem sich einige aus unserer Gruppe mal einen aromatischen Aufguss in der Erdsauna oder ein „Kräuter-Treatment“ genehmigt haben, konzentrieren wir uns überwiegend auf die Genüsse, die den Körper auf die Dauer ebenfalls nicht unbeeindruckt lassen, vor allem den Hüftbereich.
Die Steiermark hält sich zugute, eine Genussregion zu sein, in der es zunehmend biologisch zugeht. Etwa bei den Kürbissen, deren Kerne überwiegend zu exzellentem Öl gepresst werden. Doch mit den grünen, spitz laufenden Samen lässt sich noch einiges mehr anstellen, als sie in flüssiger Form über Salatblätter zu träufeln. Das hat zum Beispiel Johann Koller erkannt. Der Kürbisbauer, der in seiner Freizeit in einer Art Techno-Landler-Band die Steirische Harmonika drückt, nennt seinen kleinen Hofladen hoch über der Landschaft „Kürbisatelier“. Dort vermarktet er etwa getrüffeltes Kürbisschmalz, Kürbiskonfitüre (passt prima zu Käse), Kürbiskernpesto oder Kürbiskernnudeln. Eine absolute Rarität ist sein Kürbiskernbrand, der – wer hätt’s gedacht – wunderbar nussig schmeckt. Das ist aus männlicher Sicht quasi Wellness für die Vorsteherdrüse, denn Kürbiskerne beugen Erkrankungen der Prostata vor. Und die Leber hat auch was zu tun.
Liebe auf den ersten Schluck
Die lässt sich zudem gut mit Wein beschäftigen, der in der Steiermark reichlich gekeltert wird, zunehmend in Bio-Qualität – und mittlerweile sogar vegan. Die perfekte Cuvée aus Zeitgeist und Weingeist. Auch in Bio-Weinen sind tierische Hilfsmittel wie Hühnereiweiß, Milchprodukte oder Gelatine zugelassen. Sie dienen dazu, den Wein zu klären, also von Schwebstoffen zu befreien. Veganer Wein verzichtet darauf. Jungwinzer Manuel Ploder aus dem Steirischen Vulkanland, der mit seinem Kinnbart eher aussieht wie der Bassist einer Metal-Band, kann mit viel ruhiger Überzeugungskraft erklären, warum es besser ist, Ungeziefer mit Brennnesseljauche zu bekämpfen und den Wein nur biodynamisch herzustellen.
Die Familie hat dafür die Obstbaumplantage gerodet und die Anbauflächen vergrößert, richtet sich nach Mond und Sternen und nach ihrem guten Gaumen. Und er kann auch gut erklären, warum es manchen Weinen bestens bekommt, wenn sie in Ton-Amphoren gefüllt werden, die im Boden vergraben sind. Eigentlich braucht es dazu nicht vieler Worte, ein Glas davon und es wird Liebe auf den ersten Schluck.
Ein Brieföffner als Souvenir
Danach kann etwas körperliche Anstrengung nicht schaden, die in unserem Fall ganz besonders maskulin ausfällt. Auf der mittelalterlichen Riegersburg, die hoch auf einem Basaltkegel über dem Hügelland thront, hat Christoph Feichtl die Burgschmiede wiederbelebt. Zwei aus unserer Gruppe, die dem eigenen Geschlecht zugetan sind, stehen wie vom Donner gerührt, als sie seiner ansichtig werden: Er ist Muskeln pur, hat seinen Schädel kahl rasiert und trägt im markanten Gesicht einen modischen Henri-Quatre-Bart. „Na, das ist ja nun Porno“, entfährt es einem der beiden und er lässt sich, ohne zu zögern den Hammer in die Hand drücken. Wir klopfen dann im Schweiße unseres Angesichts ein kleines Souvenier, einen winzigen Brieföffner.
Dieses im Digitalzeitalter eher nutzlose Muskelkraft-Mitbringsel liegt seither ungenutzt daheim – im Gegensatz zur Rhabarber-Gesichtscreme, die uns Harald Binder mitgegeben hat. Die ist schon fast leer. Überhaupt: Die Haferflocken, die mittlerweile in der Peelingcreme verschwinden, gehen auch langsam zur Neige. Da müssen als Schleifkörper jetzt erst mal die Grieskörnchen aus der Polenta vom letzten Italienurlaub herhalten.
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