Bewährungsstrafen für vier Skyguide-Mitarbeiter
Vier Mitarbeiter der Schweizer Flugsicherung Skyguidesind wegen des Flugzeugunglücks von Überlingen mit 71 Toten zuBewährungsstrafen verurteilt worden.
Das Bezirksgericht imschweizerischen Bülach befand sie der fahrlässigen Tötung für schuldig.Drei Skyguide-Angestellte der Führungsebene erhielten Freiheitsstrafenvon zwölf Monaten mit zwei Jahren Bewährung. Der vierte, eintechnischer Projektleiter, muss eine Geldstrafe von 13 500 Franken(rund 8000 Euro) zahlen, die ebenfalls zur Bewährung auf zwei Jahreausgesetzt wurde. Die vier anderen der insgesamt acht Angeklagtenwurden freigesprochen.
Bei dem Zusammenstoß einerTupolew-Passagiermaschine der Bashkirian Airlines mit 69 Menschen anBord und einer Fracht-Boeing des Kurierdienstes DHL mit zwei Pilotenwaren am 1. Juli 2002 alle Insassen ums Leben gekommen. Unter denOpfern sind 49 Kinder aus der russischen Teilrepublik Baschkirien, dieauf einem Ferienflug nach Spanien waren. Skyguide kontrolliert auch denLuftverkehr in weiten Teile Süddeutschlands.
Der VorsitzendeRichter Rainer Hohler sagte in der Begründung, die drei verurteiltenVorgesetzten seien durch Unterlassen schuldig geworden. Wegen"Betriebsblindheit" hätten sie für menschliches und technischesVersagen keine hinreichende Vorsorge getroffen. Auch auf doppelte odermehrfache Sicherungssysteme wie bei der Luftraumkontrolle dürfe sichniemand einfach verlassen. "Die Sicherheit im Luftverkehr hat sichnicht nach dem Normalfall, sondern nach dem Notfall zu richten",betonte er. Jeder Mitarbeiter müsse zudem darauf vertrauen können, dassder andere Kollege pflichtbewusst handele.
So war es nach Ansichtdes Gerichts unzulässig, dass nachts jeweils nur ein Fluglotse imZürcher Kontrollzentrum am Radar arbeitete. Seit Jahren gehörte es aberzur "Betriebskultur", dass der zweite Schichtkollege bei wenigFlugverkehr die Nacht im Pausenraum verbrachte. "Bei Anwesenheit vonzwei Fluglotsen hätte das Unglück wohl verhindert werden können", sagteHohler. Der zweite Schichtkollege war in eine sechsstündige Pausegegangen.
Im Einmann-Betrieb sei der Flugverkehrsleiter unterextremen Druck geraten und überfordert gewesen. Denn überraschendmusste er noch einen verspäteten Flieger nach Friedrichshafendirigieren und zugleich den Transitverkehr überwachen. In derUnglücksnacht fanden zudem Wartungsarbeiten statt. Radar und Telefonfunktionierten gar nicht oder nur eingeschränkt. Über dieseUmrüstarbeiten war nur bruchstückhaft informiert worden. So bemerkteder Lotse die zwei Maschinen auf Kollisionskurs zu spät.
Diemündliche Verhandlung des Strafverfahrens hatte im vergangenen Maistattgefunden. Die Staatsanwaltschaft hatte für die acht AngeklagtenBewährungsstrafen zwischen 6 und 15 Monaten gefordert. Dagegen hattendie Verteidiger auf Freispruch plädiert. Die Skyguide- Angestelltenhatten die Schuld an der Katastrophe dem Fluglotsen der Unglücksnachtgegeben. Dieser war 18 Monate nach dem Unglück von einem russischenHinterbliebenen erstochen worden, der bei dem Unglück seine Familieverloren hatte. Dafür verbüßt der Täter eine Haftstrafe in einemSchweizer Gefängnis.
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