Von Sofa zu Sofa um die Welt
Berlin (dpa) - Im Irak, in Russland und sogar auf den Weihnachtsinseln: Fast überall findet der unerschrockene Rucksacktourist einen Schlafplatz auf dem Sofa, in der Hängematte, oder sogar im Gästezimmer mit eigenem Bad.
"Couchsurfing" heißt das Prinzip, bei dem sich Reisewillige online vernetzen und kostenlose Schlafgelegenheiten anbieten. Über eine Million registrierte Benutzer gebe es inzwischen, erklärt der Engländer Ollie Tupmann, der seit zwei Jahren in Berlin wohnt und sein Sofa anbietet. Dort schlägt das Couchsurfen Wellen: Über 7000 Mitglieder sitzen in der Hauptstadt.
Die Reisewilligen vernetzen sich auf einem Internetportal, erklärt der Berliner Sofasurfer Christian Hasentempel. Unter www.couchsurfing.org verwaltet jeder ein Profil, in man Auskunft über Interessen, Sprachen und die Couch geben kann. Online bieten oder suchen Reisende einen Schlafplatz für ein paar Nächte. "Manchmal entwickeln sich echte Freundschaften und die Leute bleiben länger", sagt Martin Feller, der schon ehemaligen Gästen in Chicago einen Besuch abgestattet hat.
Die Couchsurfer sind sich einig: Das Schlafen auf einem fremden Sofa eröffnet dem Reisenden die sonst verschlossenen Seiten einer Stadt, jenseits von Hotel und Sehenswürdigkeiten: "Ich wurde mal zu einem Chili-con-Carne Wettkochen zwischen einer Gruppe Mexikanern und Hells-Angels-Bikern in Los Angeles mitgenommen", sagt Feller.
Etwa zehn Nachfragen nach einer Schlafgelegenheit bekomme er täglich, erzählt Feller. Dass Berliner Couch-Anbieter so viele Anfragen bekommen, liege an dem guten Ruf, den die Hauptstadt weltweit genieße. "Berlin ist eine der billigsten westlichen Metropolen zum Leben und Ausgehen", findet auch Hasentempel.
Wird das Couchsurfen also irgendwann Hostels und Hotels ersetzen? Viele Teilnehmer seien europäische oder amerikanische Studenten, und das Durchschnittsalter liege bei Anfang bis Mitte 20, sagt Tupmann. "Das ist ein demografischer Trend. Wer weiß, ob die Leute in Zukunft beim Couchsurfen bleiben, wenn sie älter werden", fügt der Engländer hinzu.
Allerdings ist das Ganze auch nicht ganz ohne Probleme. Es habe schon ein paar Fälle von Diebstahl gegeben - "aber viel weniger als man bei einer so großen Community erwarten würde", erklärt Feller. Gerade als Frau sei schon Vorsicht geboten, findet die Kanadierin Josephine Lazarus, die gerade bei Feller wohnt: "Ich schaue mir die Profile im Vorfeld immer genau an." Außerdem sollen Referenzen, die Gäste auf einem Profil hinterlassen, Sicherheit gewähren. "Das ist wie ein Brandzeichen. Negative Referenzen können nicht gelöscht werden", sagt Hasentempel. Allerdings könnten Benutzer sich wohl auch mit einem anderen Profil erneut anmelden, gibt er zu.
Wer in diesen Ferien eine kostenlose Schlafgelegenheit nutzen und einen persönlichen Kontakt zum Reiseland erfahren will, sollte allerdings nicht zu lange mit der Suche warten: Viele Couchsurfer fahren im Sommer selbst in den Urlaub. Dafür gebe es aber auch in fast jedem Land mindestens eine registrierte Couch oder Hängematte, sagt Hasentempel. "Nordkorea ist das einzige Land, in dem es keine Couchsurfer gibt", sagt Feller. "Zumindest noch nicht."
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