Nun geht es den Bären wohl an den Kragen
Seit der tödlichen Attacke auf einen jungen Jogger in Norditalien streitet man im Trentino um den richtigen Umgang mit den Wildtieren. Neue Pläne sehen einen Massen-Abschuss vor.
Die norditalienische Provinzregierung des Trentino plant ein Gesetz, das den massiven Abschuss von Braunbären ermöglichen soll. Man kann es nicht anders sagen: Den Tieren geht es jetzt wohl an den Kragen. Bis zum Jahr 2027 sollen 24 Bären sterben. "Wir setzen uns dafür ein, dass das neue Gesetz, das die Tötung von bis zu acht Tieren pro Jahr erlaubt, so schnell wie möglich eingebracht wird", sagte der Chef der Provinzregierung, Maurizio Fugatti, bereits vor Weihnachten.
Wie nun aus der Provinzhauptstadt Trient zu erfahren ist, hat es der Politiker der rechtsnationalen Lega beim Abschuss der Bären besonders eilig. Denn die rund 150 Tiere im Adamello-Brenta-Gebiet nördlich des Gardasees sind derzeit im Winterschlaf, erwachen aber bald. In lebhafter Erinnerung geblieben ist in der Region und darüber hinaus der 5. April des vergangenen Jahres. Damals wurde der 26-jährige Jogger Andrea P. bei Caldes von der Bärenmutter JJ4 mit ihren Jungtieren überrascht und von ihr getötet. JJ4 ist die Schwester des 2006 in Bayern abgeschossenen Braunbären "Bruno".
Bären-Gesetz in Italien soll im Eiltempo beschlossen werden
Das Gesetz soll dieser Tage in seinen letzten Details fertiggestellt werden, ins Parlament eingebracht und schon im Februar verabschiedet sein. Provinzchef Fugatti nannte es "ein wichtiges Managementinstrument, das in erster Linie die öffentliche Sicherheit, aber auch den Schutz der Bergwirtschaft gewährleistet". Immer wieder kam es im Trentino in den vergangenen Monaten zu teils gefährlichen Begegnungen von Mensch und Tier. Landwirte klagen über Bären – und Wölfe –, die Zuchttiere gerissen oder andere Schäden verursacht haben.
Auch Tierschützer laufen Sturm, aus anderen Gründen. "Wir werden die italienische Regierung auffordern, das Gesetz vor dem Verfassungsgericht anzufechten", sagt Massimo Vitturi vom Tierschutzverband LAV. Man wolle sich auch an die EU-Kommission wenden. Die Bären dürften nicht abgeschossen werden. "Die Provinzregierung wütet gegen die Tiere, die keine Verantwortung tragen. Es ist die Politik, die verantwortlich ist." Vitturi schlägt eine Kommunikationskampagne vor. Des Weiteren müssten dringend Mülltonnen flächendeckend durch geruchssichere "Anti-Bären-Tonnen" ersetzt werden. Als letztes Mittel sei – statt eines Abschusses – die Sterilisierung einiger Weibchen denkbar.
Kritiker halten die Pläne für "verfassungswidrig"
Auch der ehemalige italienische Umweltminister Sergio Costa nannte das Vorhaben der Provinzregierung "verfassungswidrig". Nachdem das Verwaltungsgericht in Trient im Sommer den von Fugatti unterzeichneten Abschuss der Bärin JJ4 gestoppt hatte, organisierte der LAV auf eigene Kosten deren Umsiedlung in einen Nationalpark in Rumänien. Weil bis heute das Einverständnis der Provinz fehlt, lebt die Bärin nach wie vor in einem Gehege bei Trient, das Tierschützer als "Kerker" bezeichnen. Im September stoppte das Verwaltungsgericht einen weiteren Abschussbefehl, diesmal gegen Bärin F36. Sie hatte im Juli zwei Männer angegriffen. Im September wurde sie tot aufgefunden. Was zu großen Verstimmungen führte, die Rede ist von Selbstjustiz. "Die letzten drei tot aufgefundenen Bären sind keines natürlichen Todes gestorben", sagte der bisherige Vizepräsident der Provinz, Mario Tonina. Von Jahresbeginn bis Herbst 2023 waren im Trentino sieben Kadaver von Bären gefunden worden, die Obduktionsergebnisse der letzten drei Exemplare liegen bislang nicht vor.
Dass es überhaupt so weit kam, hat mit einer gut gemeinten Initiative zu tun, dem EU-Projekt Life Ursus. Aus Artenschutzgründen waren im Naturpark Adamello-Brenta zwischen 1999 und 2002 zehn Braunbären aus Slowenien freigelassen worden. Sie vermehrten sich rascher als gedacht.
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