Glaeseker-Prozess: Christian Wulff erinnert sich doch an Urlaube
Im Prozess um seinen alten Freund Olaf Glaeseker kann sich Christian Wulff auf einmal doch an die umstrittenen Urlaube erinnern.
Es war eine seltsame Mischung aus Angriffslust und Trotz: Der Zeuge Christian Wulff gab am Montag vor dem Landgericht Hannover als Beruf an, er sei zugelassener Rechtsanwalt - "und unfreiwillig auch ein relativ junger Altpräsident". Im eigenen Prozess kämpft der ehemalige Bundespräsident seit Mitte November um die Ehre, mit inzwischen besten Chancen auf einen glatten Freispruch. Als Zeuge im Verfahren gegen seinen früheren Vertrauten Olaf Glaeseker versuchte Wulff die Gratwanderung, sich selbst nicht zu belasten und den früheren Vertrauten zu schonen.
Prozess: Wulff trägt dick auf
Dabei trug er zuweilen reichlich dick auf. "Wir waren beseelt von der Absicht, Niedersachsen voran zu bringen", umschrieb er das gemeinsame Ziel auch bei den der Nord-Süd-Dialog genannten Promitreffen, die der Glaeseker-Freund und Eventmanager Manfred Schmidt ausrichtete.
Das brachte beide wegen Bestechung und Bestechlichkeit auf die Anklagebank. Die Staatsanwaltschaft wirft Glaeseker vor, für die Promitreffs Sponsoren eingeworben und im Gegenzug Freiflüge erhalten und Urlaube in den Feriendomizilen Schmidts verbracht zu haben. Schirmherrn der Nord-Süd-Dialog genannten Promiveranstaltungen waren Wulff als niedersächsischer Ministerpräsident und sein baden-württembergischer Kollege Günther Oettinger (beide CDU).
"Die Veranstaltungsreihe lag im Interesse des Landes", gab dazu Wulff jetzt zu Protokoll. Er habe nicht den "Hauch eines Anscheins" festgestellt, dass Glaeseker hier politische und private Interessen unzulässig vermengt habe. Dass Glaeseker die halbe Wirtschaft des Landes mit E-Mails und Geldbitten überzogen und ausdrücklich als Sprachrohr des Regierungschefs aufgetreten war, findet Wulff in Ordnung.
Wulff jammert über stressiges Politiker-Leben
Dann berichtete er, wie beschwerlich das Leben eines Spitzenpolitikers sein kann, mit 90-Stunden-Woche, fast völligem Verzicht auf Privatleben und ständigem Termindruck: "Ich habe in der Zeit rund 20.000 SMS-Botschaften erhalten." Diese pure Masse diente Wulff als Begründung dafür, dass er sich partout nicht mehr erinnern kann daran, ob und wie intensiv er mit Glaeseker auch während dessen Urlauben in den Schmidtschen Anwesen in Kontakt stand.
Immerhin relativierte er seine frühere Darstellung, er habe von der engen Freundschaft und den regelmäßigen gemeinsamen Reisen der beiden Männer auf Schmidts spanische Finca nichts gewusst. Diese Version war ohnehin nicht mehr zu halten, sogar Wulffs erste Ehefrau Christiane hatte sich ganz anders erinnert. Das aber könnte ein neues Einfallstor werden für die Staatsanwaltschaft, wenn Wulff in seinem eigenen Prozess wegen Vorteilsannahme rund um einen Oktoberfestbesuch 2008 freigesprochen würde.
Schließlich gibt es noch den Paragrafen 357 des Strafgesetzbuches, der ausdrücklich unter Strafe stellt, dass Amtsträger rechtswidrige Taten ihrer Untergebenen geschehen lassen. Sollte Glaeseker am Ende wegen Bestechlichkeit verurteilt werden, dürfte es der Anklagebehörde in den Fingern jucken, Wulff genau hier doch noch zu packen.
Wulff: "Größter Wirtschaftskrimi in der Geschichte der Bundesrepublik"
Als Wulff erzählte, wie wichtig es damals "im größten Wirtschaftskrimi in der Geschichte der Bundesrepublik" war, mit dem Nord-Süd-Dialog das Verhältnis zu Baden-Württemberg zu verbessern, dann war da durchaus ein wenig Wehmut herauszuhören. Der "Wirtschaftskrimi" war die versuchte Übernahme des Volkswagenkonzerns durch den kleinen Sportwagenbauer Porsche, und Wulff rechnet es sich als eigenes Verdienst an, dass es am Ende genau umgekehrt kam.
Glaeseker verfolgte die Aussage seines Ex-Chefs mit deutlicher Anspannung. Er hatte nach seiner Entlassung als Wulffs Sprecher im Dezember 2011 keinen Hehl daraus gemacht, dass er sich als Bauernopfer sieht. Danach gab es nur noch sporadischen Kontakt zwischen ihm und Wulff, der nur einen Monat später selbst als Bundespräsident zurücktreten musste. Aber Wulff setzt auf eine Besserung des Verhältnisses nach den Prozessen. "Ich gehe davon aus, dass danach der Kontakt wieder so ist, wie er war." (AFP)
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