In Ägypten kehren die Proteste zurück
Militärführung gerät unter Druck. Mindestens ein Toter auf Tahrir-Platz
Kairo Der Tahrir-Platz in Kairo wird wieder zu einem Brennpunkt Ägyptens. In der Nacht zum Samstag war zum ersten Mal in der neuen Ära bei einem Zusammenstoß mit der Armee ein Toter zu beklagen. Am Freitag waren zuvor Zehntausende Menschen auf dem Platz zusammengekommen, um zügige Gerichtsprozesse gegen Hosni Mubarak und seine Getreuen zu fordern. Bei der größten Kundgebung seit Wochen war noch das gesamte Spektrum der Bewegung vertreten.
Als die meisten Menschen am Freitagabend nach Hause gingen, blieben ein paar Hundert Demokratieaktivisten auf dem Platz. Unter dem Vorwand der Ausgangssperre, die um 2.00 Uhr morgens beginnt, ging die Militärpolizei mit Warnschüssen, Holzstöcken und Elektroschockern gegen die Platzbesetzer vor, die sich mit Brandsätzen und Steinen wehrten. Ein Demonstrant starb, 71 weitere erlitten Verletzungen, einige auch durch Schüsse. Zwei Lastwagen und ein Autobus der Armee brannten aus – wie Mahnmale standen sie auch am Sonntag noch da.
Den Zorn der Militärs hatte auch erregt, dass sich bei der Großkundgebung am Freitag acht junge Offiziere in Uniform auf der Tribüne präsentierten. Die Armee betrachtet sie als „Verräter“. Ein Teil der anschließenden blutigen Ausschreitungen drehte sich darum, dass die Aktivisten die abtrünnigen Soldaten vor der Verhaftung durch die Militärpolizei schützen wollten. Dies gelang nur zum Teil. In Kairo kursierten bis zuletzt unbestätigte Gerüchte, dass zwei dieser Soldaten an Ort und Stelle erschossen wurden.
Der regierende Militärrat bedauerte in einer Erklärung die Opfer, warnte aber zugleich etwas geheimnisumwittert vor „Kräften, die einen Keil zwischen das Volk und die Armee treiben wollen“. Vertreter der eher gemäßigten Parteien, darunter der Muslimbruderschaft sowie liberaler und sozialdemokratischer Gruppen, schlossen sich der Erklärung im Prinzip an, mahnten die Armee jedoch vor Gewalt.
Tatsächlich wandelt die Militärführung auf einem schmalen Pfad zwischen Stabilitätssicherung und dem dringend nötigen Bruch mit dem Mubarak-System. Noch folgen ihr die meisten Demokraten dabei, denn die Stabilität muss bewahrt bleiben, wenn im September erstmals im Lande demokratisch gewählt werden soll. Georg Mayer, dpa
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