Europakritisches Populisten-Bündnis gescheitert
Erst verbreitet eine Allianz Unruhe in ganz Europa. Dann platzt sie auf den letzten Metern. Was nun?
Drei Monate nach der Wahl in Italien sind die europakritische Fünf-Sterne-Bewegung und die rechte Partei Lega mit ihrer geplanten Regierungsbildung überraschend gescheitert. Ihr gemeinsamer Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten, Giuseppe Conte, gab am Sonntag nach nur vier Tagen den Regierungsauftrag an Staatspräsident Sergio Mattarella zurück. Eine Neuwahl in der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone scheint kaum mehr abwendbar.
Grund für das Scheitern der Allianz war vor allem der Streit der Bündnispartner mit dem Staatschef über die geplante Ernennung des ausgewiesenen Euro- und Deutschland-Kritikers Paolo Savona zum Finanzminister. Mattarella sagte, er könne keinen Kandidaten akzeptieren, der einen Euro-Ausstieg Italiens ins Spiel bringe. Die Unsicherheit über die Haltung Italiens zum Euro habe Investoren in Alarmstimmung versetzt.
In Italien muss der Präsident das Kabinett erst formell absegnen, bevor es sich im Parlament zur Wahl stellt und die Regierungsgeschäfte aufnehmen darf. Sowohl die Lega als auch die Sterne sehen in Mattarellas Entscheidung einen direkten Angriff auf demokratische Grundsätze. Die geplanten Mehrausgaben der populistischen Parteien und ihre Anti-EU-Rhetorik hatte die Finanzmärkte in Unruhe versetzt und Schockwellen durch Europa gesendet. Geplant waren unter anderem Steuersenkungen und ein Mindesteinkommen. Italien ist mit knapp 132 Prozent der Wirtschaftsleistung verschuldet, nach Griechenland ist das der zweithöchste Wert in Europa. Erlaubt sind 60 Prozent.
Conte sagte am Abend in Rom, er habe „maximale Anstrengungen“ darauf verwendet, eine Regierung des Wandels zu bilden. Der parteilose Anwalt war erst am Mittwoch mit der Regierungsbildung beauftragt worden. Präsident Mattarella kündigte an, in Kürze über den Ruf nach einer erneuten Wahl zu entscheiden. Offenbar arbeitet er an einer Übergangsregierung, da er für Montag den Ökonomen Carlo Cottarelli in den Präsidentenpalast einbestellte. Dieser könnte mit einer „Expertenregierung“ die Zeit bis zu einer Neuwahl überbrücken. Allerdings hatten sowohl Lega als auch die Sterne schon angekündigt, einer Technokratenregierung im Parlament nicht zuzustimmen.
Am 4. März hatten die Italiener gewählt. Mit 32 Prozent waren die Sterne stärkste Kraft geworden. Die Lega hatte 17 Prozent innerhalb einer Mitte-Rechts-Allianz bekommen. Befürchtet wird, dass eine Neuwahl ein ähnliches Ergebnis bringt und die Regierungsbildung auch nicht leichter wird.
Lega-Chef Matteo Salvini sieht Neuwahlen dennoch als unumgänglich an. „Das Wort geht wieder an euch“, schrieb er auf Twitter. Italien sei keine Kolonie. „Wir sind nicht die Sklaven der Deutschen oder Franzosen (...)“
Auch die Sterne hatten sich für eine rasche Neuwahl eingesetzt. Ihr Chef Luigi Di Maio kritisierte Mattarella für seine Einmischung und sagte: „Dies ist keine freie Demokratie.“ Zum Redaktionsschluss wurde bekannt, dass er die Absetzung des Präsidenten fordert und in Betracht zieht, Mattarella wegen Hochverrats oder Verletzung der Verfassung anzuklagen. (dpa)
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